Sono Motors will ein E-Auto für jedermann auf den Markt bringen, das sich seinen Fahrstrom auch von der Sonne holt. Der Sion trägt dafür Solarzellen auf Dach, Haube und Seitenwänden der Karosse. Aber jetzt, wo der Kompaktwagen fast fertig entwickelt ist, wird das Geld für die Kiellegung knapp. Das Unternehmen selbst ist nicht in Gefahr – die Verantwortlichen betonen, dass ihre liquiden Mittel auf jeden Fall reichen, um das Solar-Ausrüstungsgeschäft weiter auszubauen. Aber für die Produktion des Solar-Autos Sion braucht das Münchner Start-up Geld, das aus der Kampagne #saveSion kommen soll. Binnen 50 Tagen wollen die Bayern weitere 3.500 Sion-Vorbestellungen und Anzahlungen einsammeln. Außerdem kann jeder, der eine der bereits 43.000 Vorbestellungen hält, seine Anzahlung erhöhen, Spenden und Darlehen sind ebenfalls willkommen. Hat die Kampagne keinen Erfolg, rollt der Sion ins Aus. Wir konnten ein Vorserien-Exemplar des Sion bewegen, um zu testen, ob eine Vorbestellung grundsätzlich empfehlenswert wäre.
Das Geld braucht Sono unter anderem noch für teure Spezialroboter zur Serienproduktion beim finnischen Auftragsfertiger Valmet. Der erfahrene Auftragsfertiger hat schon den Porsche Boxster (1997 bis 2010), den Porsche Cayman (2005 bis 2011) und den Mercedes GLC (2017 bis 2022) gefertigt – aktuell läuft bei den Finnen beispielsweise das Mercedes-AMG GT 4-Türer Coupé vom Band.
Im Vergleich zu den ersten Prototypen hat Sono den Sion jetzt aber auch deutlich weiterentwickelt – was vermutlich zusätzlich mehr Geld verschlungen hat, als erwartet. Seit März 2021 ist als Technik-Chef Markus Volmer an Bord – zuvor hat er jahrelang bei Mercedes gearbeitet. Bei Sono hat er verbessert, was noch zu verbessern ging. Volmer meint, man erkenne, ob Ingenieure ein Auto erst sauber konstruiert und Fachleute es dann gebaut haben, oder ob Konstruktion und Bau gleichzeitig stattfanden – zweiteres war anscheinend beim Sion der Fall, was dem unbekümmerten Enthusiasmus eines Start-ups geschuldet sein dürfte.
Ex-Mercedes-Ingenieur bereinigt Konstruktion
Also hat Volmer mit seinem Team viel vereinfacht. Die Türkonstruktion wäre in ihrem ursprünglichen Zustand kaum automatisiert herstellbar gewesen, die Streben und Versteifungen im Vorderwagen sind jetzt deutlich weniger zerklüftet. Der 300 Kilogramm leichte Aluminium-Spaceframe bleibt, nur der Querträger unter dem Armaturenbrett und der vordere Unterrahmen bestehen aus Stahl. Volmers Team ist es gelungen, das Gewicht des Autos von 1.800 auf 1.700 Kilogramm zu reduzieren. In der Serie könnten 1.730 Kilogramm übrigbleiben, weil sich die Ingenieure für eine LFP-Batterie (Lithium-Eisenphosphat) entschieden haben. Ein Lithium-Eisenphosphat-Akku neigt weniger zum thermischen Durchgehen als die in den meisten E-Autos verwendeten Lithium-NMC-Akkus (Nickel, Mangan, Kobalt) – aber LFP ist dafür schwerer. Volmer sagt, am Gewicht eines Fahrzeugs könne man die Qualität der Konstruktion ablesen.
Die Antriebsbatterie wiegt 369 Kilogramm, speichert 54 kWh und kommt von der BYD-Tochter FinDreams. Sie ist rechts und links durch sehr breite Mehrkammer-Profile geschützt und gelangt während des Baus von unten ins Fahrzeug. Eine zusätzliche Unterbodenverkleidung gibt es nicht und für einen eventuellen Austausch müssen die Mechatroniker nur den Strom- und Kühlwasseranschluss sowie 14 Bolzen lösen. Der Akku ist auf 3.000 Ladezyklen ausgelegt, was umgerechnet 900.000 Kilometer Fahrt bedeutet – die Batterie dürfte also das Fahrzeug um eine vielfache Laufleistung überleben.

Effizienter als Tesla
Ladestrom bezieht die Batterie nicht nur aus der Steckdose, sondern auch über die Solarpanels. Die einzelnen Zellen sind zwar in Reihe geschaltet, Sono hat aber auch eine Überbrückung eingebaut, sodass beim Ausfall einer Zelle die anderen weiter ihren Strom zur Batterie weiterleiten. Die Nachladbarkeit mit Sonnenlicht ist das erste Alleinstellungsmerkmal des Sion. Zusätzlich zum Solarstrom ist das Nachladen der Antriebsbatterie mit 75 kW Gleichstrom über einen CCS-Stecker, elf kW Wechselstrom über einen Typ-2-Stecker oder 3,7 kW über die Haushaltssteckdose möglich. Das zweite Alleinstellungsmerkmal ist die DCU (Distribution & Charging Unit), die den gesamten Hochvoltstrom steuert und somit auch das Laden und Entladen der Batterie. Zum Entladen der Batterie gehört, dass der Sion seine Energie wieder ans Netz zurückgeben kann oder dass man über seine 230-Volt-Außensteckdose an der Front elektrische Geräte anschließen kann, wie beispielsweise einen Campinggrill. Mit Wechselstrom beträgt die maximale Entladeleistung 11 kW über einen Typ-2-Stecker und 3,7 kW über die Haushaltssteckdose.
Worauf die Sion-Ingenieure ebenfalls Wert legen, ist eine möglichst kurze Verbindung zwischen Antriebsbatterie und dem vorn eingebauten Motor – das soll die Effizienz erhöhen. Sono peilt einen Durchschnittsverbrauch in Höhe von 16 Kilowatt pro 100 Kilometer an. "Tesla? Unterbieten wir", sagt Volmer dazu. Außerdem betreibt Sono beim Sion Grundlagenforschung: Während des Betriebs muss die Batterie viele Mikroladezyklen aushalten. Wie sich die auf den Akku auswirken, ist noch nicht bekannt – die Sono-Ingenieure möchten das jetzt herausfinden.
Teilen per App
Die Sono-Motors-Gründer Laurin Hahn und Jona Christians waren schon vor dem Studium sicher: Einfach umstellen auf Elektroantrieb wird das Klima nicht retten, wenn wir den Strom dafür gedankenlos aus der Steckdose nehmen, uns weiter allein in unsere Fahrzeuge setzen und uns ständig neue kaufen, statt sie zu teilen, damit sie nicht 23 Stunden am Tag rumstehen. Also ist der Sion konsequent aufs Teilen ausgelegt: Er kann nicht nur Strom mittels zweier zusätzlicher Buchsen (Typ 2 und Schuko-Steckdose, siehe oben) hinter einer Klappe zwischen den Scheinwerfern an andere E-Autos oder an Verbraucher im Haushalt abgeben. Er kann aber auch andere Mitglieder der Sono-Community mitnehmen (Ride Hailing) oder ihnen als Gefährt ohne seinen Besitzer dienen. Denn den Sion steuert eine App, die schon länger erprobt wird und die es erlaubt, den Sion einer vom Besitzer zu definierenden Gruppe zugänglich zu machen oder ihnen eben Mitfahrten auf seinen Wegen anzubieten. Da es aktuell noch keine straßenzugelassenen Sions gibt, verwaltet die App ein paar Renault Zoes, die Sono zur App-Erprobung angeschafft hat. Testnutzer der App sind bisher ein Kloster und ein Wohnhaus mit mehreren Mietparteien. Fun Fact: Da der Sion auch fürs Sharing gedacht ist, hat er tief sitzende Stahlfelgen, die bei ungeschickten Einparkmanövern vom Reifen geschützt sind.

Andere Autohersteller sind interessiert
Direkt über der DCU und direkt unter der Fronthaube des Sion sitzt die MCU (Maximum Point Power Tracking Central Unit). Dieses Gerät steuert den Ladestrom, den die Solarzellen liefern. Ist dieser besonders schwach, fließt er beispielsweise in die Zwölfvolt-Batterie. Etablierte Autohersteller haben bereits Interesse an der MCU angemeldet – welche das sind, verraten die Sono-Verantwortlichen noch nicht.
Die Solarzellen sind auf der Oberfläche des Sion in einem Kunststoff integriert. Das gibt es so nur bei Sono, deren spezielle Machart in verschiedenen Layerschichten Biegungen und Wölbungen erlaubt, die man von handelsüblichen Dachpanelen nicht kennt. Außerdem sind die Leiterbahnen der Zellen auf der Rückseite angebracht, so dass sie die strahlungswirksame Solarfläche auf der Vorderseite nicht einschränken. Das verschafft den Solarzellen einen besseren Wirkungsgrad (21 bis 23 Prozent statt wie üblicherweise 17 bis 19 Prozent). In der Praxis ist CO2-Sparen auch nicht das einzige Ziel der Solarzellen; sie sollen das Stadtauto auch weniger oft an die Ladesäule zwingen. Sono meint, der Sion müsse in acht Wochen nur einmal laden, E-Autos ohne Solarunterstützung hingegen viermal. Wollten diese ähnlich selten ans Kabel, bräuchten sie einen 180-kWh-Akku.
In der Praxis ist CO2-Sparen auch nicht das einzige Ziel der Solarzellen; sie sollen das Stadtauto weniger oft an die Ladesäule zwingen. Sono meint, der Sion müsse in 8 Wochen nur einmal laden, E-Autos ohne Solarunterstützung hingegen 4 Mal. Wollten die ähnlich selten ans Kabel, bräuchten sie einen 180-kWh-Akku
Aber die Solarzellen stellen die Ingenieure auch vor Probleme. Sie sind in Polymer eingebettet und dieser Kunststoff ist beispielsweise als Fronthauben-Material dicker und weniger elastisch als klassisches Stahlblech. Bei den noch ausstehenden Crashtests müssen hier, insbesondere wegen des Fußgängerschutzes, bestimmte Grenzwerte eingehalten werden, die mit Blech viel einfacher erreichbar wären. Im Januar 2023 finden die ersten Crashtests statt – Volmer ist zwar zuversichtlich, verweist aber darauf, dass er als Ingenieur misst und dann daraus seine Schlüsse zieht.
Außerdem möchte Sono den Sion sogar für das Ziehen von Lasten zulassen. Jeder Sion wird serienmäßig für den Anhängebetrieb vorgerüstet sein. Der Flaschenhals für den Hängerbetrieb ist allerdings die Motor-Getriebe-Kombination, die der Hersteller für höchstens 2,2 Tonnen zugelassen hat. Abzüglich der 1,7 Tonnen Fahrzeuggewicht blieben nur noch 500 Kilogramm. Die Sion-Ingenieure sind mit dem Elektromotor-Hersteller im Gespräch, ob die 2,2-Tonnen-Grenze nicht anhebbar ist – nach ihrer Erfahrung schaffen Triebwerk und Getriebe deutlich mehr.
Erprobung bei Spezialisten weltweit
Aktuell baut Sion seine Prototypen direkt in München. Dafür hat sich das Start-up beim Entwicklungsdienstleister Bertrandt eingemietet. Auch Fachleute vom Auftragsfertiger Valmet sind bereits vor Ort, um die spätere Serienproduktion vorzubereiten. Schon fertiggestellte Prototypen sind weltweit verstreut unterwegs. Einer ist bei Sions Bremsenpartner BWI in Detroit (US-Bundesstaat Michigan) zur Bremsen-Validierung unterwegs, ein anderer zur Lenkungs-Validierung bei Thyssen-Krupp in Ungarn und ein dritter muss 5.500 Kilometer Schlechtwege-Strecke auf dem 70 Kilometer südwestlich von Barcelona gelegenen Testgelände des Ingenieurs-Unternehmens Idiada aushalten. Volmer ist es wichtig, dass der Sion in Sachen Zuverlässigkeit deutlich besser ist als nur die Schwelle, die nötig ist, um ihn überhaupt auf den Markt zu bringen.
Sion-Prototyp im Fahrbericht
Eines der fahrbaren Sion-Erprobungsfahrzeuge probieren wir auf dem nördlich von München gelegenen Flugplatz Oberschleißheim aus. Die riesigen Fugen zwischen den Teilen der Sion-Karosse sind nur bedingt ein Qualitätsthema. Volmer verspricht, dass sie in der Serie erheblich unauffälliger werden, aber auf das Niveau herkömmlich Blechkarossen wird die des Sion nicht kommen: Auf dem Spaceframe aus Alu sitzen, ähnlich wie beim e.go Life, Kunststoffplatten, in die eben die Solarzellen eingebettet sind. Mit der Lack-Qualität wird der Sion nie Probleme haben: Die Polymer-Außenhaut ist durchgefärbt und immer schwarz. Das passt freilich am besten zu den Solarzellen. Das matte Finish könnte man auch als coole Folierung durchgehen lassen.
Die Sitzposition ist so hoch wie bei einem SUV, was einen guten Überblick bedingt. Zudem profitiert die Rundumsicht von den glatt nach unten abfallenden Karosserieflächen. Trotz der hohen Sitzposition haben auch zirka 1,90 Meter große Fahrer noch zehn Zentimeter Luft über dem Kopf. Und diese großen Fahrer genießen beim Umstieg in die zweite Reihe immer noch Kopf- und sogar Kniefreiheit.
Unser Testfahrzeug ist in der Mittelkonsole mit zwei großen roten Notaus-Knöpfen ausgerüstet. Einer deaktiviert das komplette Fahrzeug, der zweite nur die Lenkung. Weil die Ingenieure die Lenkung noch kalibrieren, könnte die Software-Steuerung zu Fehlfunktionen neigen – deshalb ist die Steuerung und damit die Servounterstützung abschaltbar.
Wir legen die Fahrstufe D mit einem Druck des rechten Lenkstock-Hebels nach unten ein. Ein sanfter Druck aufs Fahrpedal und der Sion rollt genauso sanft und leise los. Die Lenkung fühlt sich noch ein wenig indirekt an, aber für ein noch unkalibriertes System arbeitet sie annehmbar. Auch die Bremsen sind noch in der Kalibrierungs-Phase, aber bereits jetzt arbeiten die unspektakulär gut.
Top Fahrwerk
Beim Fahrwerk haben die Sion-Ingenieure und Testfahrer einen richtig guten Job gemacht: Querfugen, aber auch sämtliche anderen kleineren und gröberen Unebenheiten schluckt das Feder-Dämpfersystem nahezu komplett. Die Wankabstützung in flotter gefahrenen Kurven funktioniert trotzdem – der 1,66 Meter hohe Sion neigt sich nur moderat zur Seite. Auffällig: Im Gegensatz zu ersten Prototypen klappert oder knarzt die jüngste Ausführung des vor allem außen immer noch rustikal wirkenden Kompaktwagens nirgends.
Die Beschleunigung des Sion passt perfekt zu einem Familienauto: Druckvoll aber auf keinen Fall brutal fährt er los. Nimmt der Fahrer den Fuß vom Fahrpedal, rekuperiert das System spürbar – One-Pedal-Driving dürfte bei niedrigen Geschwindigkeitsbereichen möglich sein.
Die Energiegewinnung über Solarzellen ist eines der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale des Sion – und dieses Merkmal konnten wir an einem dunkelgrauen Dezembertag nicht ausprobieren. Der zentrale Infotainment-Monitor zeigt auf Wunsch die Energiegewinnung der einzelnen Solarzellenmodule an – an einem verschneit grauen Tag waren es null Watt. Aber der Sion ist extern nachladbar, die Solarzellen helfen zusätzlich beim massiven Einsparen von CO2 und beim Aufladen der Antriebs- und sogar der Zwölf-Volt-Batterie fernab jeder Steckdose. Bei einer Fahrt mit einem ersten Protoyp im Sommer 2021 begeisterte sich Vollmer für die Leistungsangabe der Solarpanele auf dem Zentraldisplay, die zwischenzeitlich auf fast 400 Watt schoss. Durchziehende Wolken ließen den Wert allerdings zwischenzeitlich auch mal auf 100 Watt sinken. Beim Parken heißt es also aufgepasst: Carports und enge Häuserschluchten sind schlecht für die Solarstromerzeugung – in Tiefgaragen erntet man natürlich selbst im Hochsommer Dezemberwerte.
Sono Motors Sion | |
Grundpreis | 25.500 € |
Außenmaße | 4470 x 1660 mm |
Kofferraumvolumen | 650 bis 1250 l |
Höchstgeschwindigkeit | 140 km/h |
Verbrauch | 16,0 kWh/100 km |