Zwölf Hallen kennt der Messeplan in Essen, dabei fällt eine immer hinten runter. Die Galeria im Herzstück der Messe soll eigentlich vor allem bei Regen trockenen Fußes den Rundgang von den Hallen fünf oder vier zu zwei und eins ermöglichen. Sie wurde zwar durchaus auch als Ausstellungfläche genutzt, beherbergte aber oft unscheinbare Rennwagen oder die Drückerkolonne des ADAC.
Nicht so auf der Essen Motor Show 2011: In der Galeria stehen dieses Jahr ein paar hübsche Auto Scooter, die liebevoll auf Quad-Chassis gebaut wurden wie die Corvette der Gebrüder Ihle aus dem Jahr 1958, die heute ein moderner Kawasaki-Motor auf Tempo 160 beschleunigt. Fünf Jahre älter ist der Polizei-Chevy von Lusse, der nicht nur Funk im Cockpit hat, sondern auch einen Schlagstockhalter.
Goldgräberstimmung beim Messe-Rundgang
Überhaupt ist die eigentlich als Durchgang gebaute Galeria der Messe eine echte Fundgrube amerikanischer Tuning-Kunst. Eines der Prunkstücke ist ein Rolls Royce Dragster mit 2.000 PS starkem 9,6 Liter Chevy, der sonst bei Caterpilar Baumaschinen zum Einsatz kommt.
Nicht zu vergessen das Bike „Area 51“, das als „Best of Show“ in Daytona Beach einen der weltweit begehrtesten Preise abräumte. Mit einem solchen Motorrad sollen in den Sechzigern die Aliens durch die Wüste gebraten sein. Und da hat Präsident Obama doch gerade erst verkündet, dass die US-Regierung keinerlei Kenntnisse nie nicht von Außerirdischen gehabt hat.
Gegenüber der hübschen Hot-Rod-Aufstellung steht auf der Essen Motor Show 2011 eine Ikone der Tuning-Szene. Der Manta, mit dem einst Til Schweiger dem beliebtesten aller wüsten Opel im Kino ein Denkmal setzte steht hinter weißer Plastik-Kette. Es ist seltsam. Man wollte das Auto nicht haben, aber irgendwie wird einem warm ums Herz.
Prunkstück wird zum Historien-Friedhof
Das eigentliche Prunkstück hätte die Messe-Halle drei sein sollen, in der einst die großen Hersteller ihre Sportkreationen präsentierten. Aber mangels Teilenehmer machte der Veranstalter aus der Not eine Tugend und platzierte eine Sonderschau mit Rallye-Autos aus 100 Jahren Rallye-Monte-Carlo-Geschichte. Allerdings verloren die Aussteller ein bisschen den Überblick, und so verspricht ein Schild das 84er Siegerauto von Walter Röhrl, doch anstelle des langen Audi Quattro A2 thront der deutlich spektakulärere, aber im Fürstentum nie siegreiche Sport Quattro E2 auf dem Podest.
Überhaupt herrscht ein bisschen Verwirrung. Auf dem Vredestein-Stand findet sich das Mercedes-Coupé von Carlsson, die Kreationen von Abt, Lorinser, AC Schnitzer und Techart haben sich um den Conti-Stand geschart.
Unter den Herstellern sind lediglich BMW und Skoda mit properem Messeauftritt vertreten. Bei Skoda stellt man den feschen Roadster Fabia RS 2000 vor und rechnet offenbar mit einem so schweren Ansturm, dass man ihn rundum mit einem Edelstahlgeländer eingezäunt hat.
Im vorderen Teil der Halle prangt das Carrera-Logo hinter den DTM-Autos von Audi, Mercedes und BMW. Gibt es demnächst eine 1:1-Servo-Edition des Slotcar-Herstellers? Vor seinem A4-Gebrauchtwagen, posiert DTM-Champion Martin Tomczyk für Fotos. Vor wenigen Tagen hat er bei BMW unterschrieben und der neue DTM-Renner der Bayern steht keine zehn Meter vom Meister-Auto entfernt.
Sport-Promis auf der Essen Motor Show 2011
Es tummelt sich durchaus einiges an Sport-Prominenz auf der Messe. Walter Röhrl schlenderte mit größerem Gefolge durch die Halle und wünschte sich einen getunten Arm zum Autogramme schreiben. Dagegen nahezu unerkannt wandelte der viermalige Rallye-Weltmeister Tommi Mäkinen über die Messe.
Die Design-Ausstellung enthält ein paar echte Schmuckstücke. Der bullige Elektro-Renner Peugeot EX1 machte schon auf der IAA eine gute Figur. Ein paar Schüler von Franco Sbarro haben zudem einen 850 Kilo leichten Prototypen mit Alfa-V6-Mittelmotor gebaut. Noch wilder ist der Dreisitzer mit Anleihen des Lamborghini Aventador, nur noch böser. Seinen 1,8-Liter-Turbo von Audi trägt er offen zur Schau. Was bauen die Jungs erst, wenn sie mal ausgelernt haben.
Nichts gegen den Punto oder Cinquecento, das Bobby Car im Cinquecento-Look ist der Hingucker von Abarth. „Unverkäuflich“, heißt es vom Standpersonal. Käuflich sind dagegen die Tuning-Kits für die richtigen Autos, und die werden in schönen Holzkisten mit klassischen Bügelverschlüssen geliefert wie in alten Zeiten. Die Kiste darf der Kunde mit nach Hause nehmen, die Holzkiste auch.
Beschaulich geht es in Halle eins zu. Hier verkauft man nicht nur teuren Chrom alter Zeiten und hat einen pittoresken Sperrholz-Pavillon mit Sonderausstellung zu Ehren von Juan Manuel Fangio aufgebaut, man kann auch für den kleineren Geldbeutel ein hübsches Stück Blech wie ein Gulf-Schild oder Ferrari-Wappen erbeuten.
Beeidruckend ist das sieben Meter lange Mercury-Pacecar, das Sieger Sam Hanks einst nach dem Indy 500 mit nach Hause nehmen durfte. Böse Zungen behaupten, wenn die vordere Stoßstange in die dritte Runde ging, war das Kofferraumschloss noch in der ersten. Der Ton in Halle eins ist gedämpfter, die Kundschaft gesetzter, und man trägt Tweed, Cord und Wildleder.
Heiße Messe-Girls tragen nur Farbe
Eher nichts trägt dagegen das schärfste Sportfahrwerk auf der Messe. Es steht im Durchgang zu Halle fünf und zappelt ein bisschen, was nicht an schlecht abgestimmter Zug- oder Druckstufe liegt, sondern an der Kälte. Die langbeinige Dame trägt nichts außer einem Bikini-Höschen nur Mütze und Schuhe, sonst nur Farbe. Sie müsste nicht frieren, aber die Nikotinsucht hat sie vor die Tür getrieben.
Apropos spärliche Bekleidung: Früher ging man ja außer zum Auspuffkauf vor allem wegen des D&W-Standes nach Essen. Nach Besorgung des Hallen-Plans war die Zeittafel mit Hinweisen zur nächsten Fütterung der wilden Tiere das zweitwichtigste Ritual. Dann schaute man zu, wie andere mit offenen Mündern und Sabber am Kinn zuschauten, wie sich ehemalige Penthouse-Models geölt an verchromte Stangen schmiegten. Es hieß dann mal, D&W wäre pleite, und uns alle befiel ein wenig Wehmut, angesichts einer weiteren Institution, die der Moderne zum Opfer fiel. Doch siehe da, in einem versteckten Eckchen gibt es noch einen D&W-Stand. Die Mädchen sind aber nicht mehr leibhaftig da, sondern nur noch im Kalender. Früher war eben doch alles besser.
Tuning-Fahrzeuge von sämtlichen Automarken
Unter den Tunern präsentiert Rieger eine beeindruckende Vielfalt. Neben Audi TT parken aufgereiht, Ford Focus, VW Golf und Scirocco und BMW Z4. Karosserie-Teile von Rieger wird auch das offizielle Messe-Tuning-Car tragen. In Halle elf wird der Bolide auf Basis eines VW Polo während der Messe aufgebaut und anschließend verlost. Das 70.000-Euro-Teil bekommt neben optischer Aufhübschung mit 18-Zoll-BBS-Rädern und Leder-Interieur auch ein Bilstein-Sportfahrwerk spendiert. Herzstück der teuren Operation ist aber der von SKN ertüchtigte Zweiliter-TFSI-Motor, der dank geändertem Ansaugtrakt, geänderter Abgasanlage mit Sportkat vor allem einen wuchtigen Ladeluftkühler. In Kombination mit angepasstem Steuergerät wird der wilde Polo dann 300 PS leisten.
Die Jungs vom Turbo-Zentrum Berlin können da nur müde lächeln. Sie holen noch mal 91 PS mehr aus ihrem Polo dank größerem Lader von Garrett. Es hätte durchaus noch mehr Qualm sein können, aber es soll ja auch noch standfest sein. Man versichert, das Ausstellungsstück sei den ganzen Weg von Berlin aus eigener Kraft nach Essen gerollt – und das durchaus zügig.
Apropos zügig: Einen schnelleren Polizei-Wagen als den Abt-Audi-R8 GTR hat die Welt noch nicht gesehen. 620 PS, in 3,2 Sekunden von null auf 100, Spitze 325 km/h hat das offizielle Messe-Tuning Car zu bieten, da macht Verbrechen keinen Spaß mehr. Es sei denn das Fluchtfahrzeug wäre ein Porsche GT9 von 9ff. Dem GT9-R verpasste Geschäftsführer Jan Fattauer dickere Backen, einen wuchtigeren Flügel und mehr Leistung, um einem guten Kunden ein Ehrfurcht gebietendes Gefährt für schnelle Nordschleifenrunden zu verschaffen. Während man sich bei Leistungsdaten sonst gern im Bereich jenseits von 1.000 PS bewegt, hat die Rennversion „nur“ 750 PS unter der Heckhaube. „Das beherrscht sonst kaum ein Rennfahrer, den ich kenne“, sagt Fattauer. Das ist doch mal eine Ansage.