Wer sich in der ersten Mai-Woche dieses Jahres zufällig an einer der Hauptverkehrsrouten zwischen Germania und Italia befindet, sollte sich nicht wundern, wenn er lauter klassische Automobile an sich vorbeiziehen sieht: Die Oldtimergemeinde zieht es zur Mille Miglia nach Italien, was die meisten Fahrer auch durch einen mehr oder minder großen roten Pfeil auf der Karosserie kundtun, den berühmten Freccia Rosso.
Bei der Mille Miglia starten 375 Teilnehmer
Die wenigsten gehören dabei zum offiziellen Teilnehmerfeld der 375 MM-Teilnehmer, die meist eher in geschlossenen Hängern anreisen: Zugelassen zur berühmtesten Oldtimerrallye der Welt sind nämlich nur Automobile, die zwischen 1927 und 1957 gebaut wurden und deren Typ mindestens einmal an einer der echten 24 Ausgaben des 1.000 Meilen-Rennens von Brescia nach Rom und zurück teilgenommen haben. Dieses wurde einst in einem Atemzug mit dem Grand Prix von Monaco und den 24 Stunden von Le Mans genannt und war von Beginn an ein süßer Wahnsinn: 1.000 Meilen, rund 1.600 Kilometer also, mit Vollgas durch halb Italien, inklusive Pässe und Ortsdurchfahrten. Bereits 1930 schraubte Tazio Nuvolari, den sie den fliegenden Mantuaner nannten und von dem seine Konkurrenten meinten, er sei mit dem Teufel im Bunde, im Alfa Romeo 6C 1750 die Durchschnittsgeschwindigkeit auf über 100 km/h.
Den ewigen Rekord hält Stirling Moss
1955 stanzte der Brite Stirling Moss den ewigen Rekord auf 157 km/h, und zwar mit einem Mercedes-Benz 300 SLR - im Prinzip ein Formel 1 mit einer zweisitzigen Karosserie drum herum. Dieser Sieg war nach Rudolf Caracciola 1931 im Mercedes-Benz SSK und Huschke von Hanstein und Walter Bäumer 1940 im BMW 328 erst der dritte Triumph eines ausländischen Teams, ansonsten war die Mille Miglia immer eine Domäne der Italiener.
Die Wertung nehmen nicht alle Teilnehmer wirklich ernst
Heute geht es zwischen Brescia und Rom nicht mehr ganz so hektisch zu. Die Teams lassen sich drei Tage Zeit für die Strecke, absolvieren dafür zwischendurch zahlreiche Gleichmäßigkeitsprüfungen, bei denen es auf Hunderstelsekunden ankommt. Könner wie die mehrfachen Sieger Giuliano Cane und Luciano Viaro etwa liegen selten um mehr als drei bis vier Hundertstel daneben. Doch wirklich ernst nehmen die wenigsten Teilnehmer die Wertung: Die meisten genießen es einfach, drei Tage mit wunderschönen Autos durch ebenso wunderschöne Landschaften und historische Orte zu fahren. Und so sehen es auch die zahllosen Schlachtenbummler mit ihren Alfa Bertone, BMW 02, Mercedes SL, MGB, Porsche 911 oder Triumph TR - drei Tage lang drücken die Polzisten in Italien ein Auge zu, winken alles, was gut aussieht und Lärm macht, über rote Ampeln und fordern zu noch mehr Gasgeben auf.
Die Mille Miglia startet in Brescia
Wer das Spektakel live erleben möchte, sollte sich zunächst am Donnerstag, den 6. Mai, in der Altstadt von Brescia einfinden. Hier findet morgens auf der Piazza Loggia die Fahrzeugabnahme statt, anschließend parken die Teilnehmerfahrzeuge kreuz und quer über die Altstadt verteilt. Am frühen Nachmittag brechen die ersten auf zum Abendessen im Mille Miglia-Museum in der alten Benediktinerabtei Sant‘ Eufemia della Fonte an der Ausfallstraße Richtung Gardasee. Um 19.30 Uhr hebt sich auf der nahen Viale Venezia die Startflagge für die Startnummer 1, üblicherweise ein O.M. Superba, der 1927 die erste MM gewonnen hat. Nach rund zwei Stunden ist das gesamte Feld auf der Reise und macht sich auf den Weg zum ersten Etappenziel, das diesmal nicht in Ferrara, sondern in Bologna liegt. Früh am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Rom, am Samstagmorgen rauscht der Mille Miglia-Troß auf der Königsetappe durch die Toskana zurück nach Brescia, wo die ersten Fahrzeuge gegen 22 Uhr erwartet werden.
Rote Pfeile helfen bei der Orientierung
MM-Fans, die die das Feld tatsächlich auf der gesamten Route begleiten wollen, finden die Strecke im Internet unter www.1000migklia.it sowie in den Tageszeitungen Brescia Oggi und Giornale della Bescia; unterwegs helfen auch immer wieder rote Pfeile bei der Orientierung. Entspannter und schöner ist es allerdings, sich gezielt einzelne Abschnitte und Orte wie etwa das hoch auf einem Berg gelegene Radicofani oder Pienza in der Toskana auszusuchen und das Feld bei einem Espresso oder einem Picknick an sich vorbeiziehen zu lassen.
Wer leider zu Hause bleiben muss, findet bei uns natürlich aktuelle Informationen: Redakteur Ralf Alex wird die Mille Miglia live in einem Ponton-Mercedes mit Startnummer auf der Tür erleben und regelmäßig von unterwegs berichten.