Der Einstieg in die Elektromobilität gelingt auch bei VW noch nicht zu wirklich volkstümlichen Preisen: Zwischenzeitlich gab es den ID.3 mit 48-kWh-Batterie mal für knapp 32.000 Euro, aktuell gibt es nur die mittlere und große, der Einstiegspreis liegt bei 35.460 Euro. Eine Entsprechung zum Polo, der noch immer für deutlich mehr als 700.000 Verkäufe pro Jahr gut ist, gestaltete sich schwierig, weil die neue Antriebstechnologie teuer ist. Nicht umsonst fängt mancher Hersteller damit Top-down an.
Aber die Batteriepreise sind in den letzten Jahren gesunken. Gleichzeitig werden Verbrenner wohl immer teurer: Mit bis zu 3.500 Euro Mehraufwand pro Auto rechnet VW, wenn Neuwagen (der immer noch nicht verabschiedeten) neuen Abgasnorm Euro 7 genügen müssen. Wenn also 2025 wohl auch dank Lithium-Eisenphosphat-Zellen ein E-Auto der 4-Meter-Klasse für 20.000 bis 25.000 darstellbar ist und die E-Auto-Prämie bis dahin durchhält, könnte der Einstieg in die E-Mobilität den Kunden nur mehr etwa 11.000 Euro kosten.
VW denkt das kleine E-Auto schon länger in zwei Varianten: Als klassischen Kleinwagen wie den Polo. Darauf gab der Cupra Urbanrebel einen Ausblick. Und als kurzen CUV, quasi als elektrischen T-Cross. Den deutet der ID.Life an. Sein Marktstart 2025 könnte dann mit der Einführung von Euro 7 zusammenfallen und würde dann nicht nur SUV-Freunde ansprechen, sondern gleichzeitig auch ehemalige Polo-Käufer, die dann womöglich kein oder nur mehr ein sehr teures Angebot bei VW finden.
Der MEB Small hat keinen Heckmotor
VW hat lange am technischen Konzept des bezahlbaren E-Autos geknobelt. Bei der Entwicklung der ID.-Familie, die auf dem neuen Modularen Elektrobaukasten (MEB) aufbaut, spielte ein Kleinwagen noch keine Rolle. Nachher erwies sich der MEB als nur schwer kürzbar. Nach einigen Abspeckversuchen mit Umwegen über Seat und China haben die VW-Entwickler jetzt das ursprüngliche MEB-Konzept mit Heckmotor und -antrieb umgedreht.
Zwar bleibt die 57-kWh-Batterie für etwa 400 Kilometer Reichweite im Fahrzeugboden zwischen den Achsen, aber der MEB Small hat Frontantrieb. Vorteile: Von den Kühlern vorn müssen keine Leitungen zu Motor und Leistungselektronik hinten führen und im Hinterwagen lässt der fehlende Antrieb Platz für Kofferraum sowie Karosserievariabilität. Dass VW seit Jahrzehnten eine Frontantriebsmarke ist, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Der ID.Life fährt gut, aber (noch) nur 45 km/h
Schon das ID.Life-Concept-Car fährt mit einer McPherson-Vorderachse und einer klassischen Verbundlenker-Hinterachse quasi aus dem Polo. Entsprechend reif federt das freilich noch an ein paar Stellen knarzende Concept Car selbst über die Rüttelstrecke des VW-Testgeländes in Wolfsburg. Der Antritt auf den ersten Metern entspricht vielleicht noch nicht den von VW fürs Concept Car kolportierten 234 PS, reicht aber dicke, um ruckzuck in den Begrenzer bei 35 km/h zu beschleunigen und dürfte den ID.Life schon jetzt bei Ampelstarts für einen der vorderen Plätze qualifizieren. Die Traktionsfähigkeit des Frontantriebs gelangt auf dem trockenen Testgelände nicht an ihre Grenzen.
Auf der Abfahrt nach einer kleinen Unterführung lässt sich der Begrenzer überlisten und der weiße CUV stürzt sich behände das Gefälle hinunter. 47 km/h geben Gelegenheit, die ordentliche Präzision der Lenkung mit dem nach oben offenen Steuer auf der gar nicht mal so großzügig abgesteckten Teststrecke festzustellen. Die Kurvengeschwindigkeit will mit dem teuren Einzelstück natürlich niemand ausloten. Aber beim Umdrehen auf einem geräumigen Asphaltkreis überrascht der gefühlt nur Bierdeckel-große Wendekreis. Die Antriebswellen des Frontantriebs scheinen nicht das Limit – wenn das serienfähig ist, hat ein kleiner ID. hier keine Nachteile gegenüber auffällig wendigen E-Autos mit Heckantrieb. Das Lenkrad mit den offenen Knüppelenden fällt erst beim Beenden des Testkreises auf – irgendwann fasst man ins Leere.
Gute Übersicht, schöne Aussichten
Der Vorteil des fehlenden Kranzes oben ist der ungehinderte Blick – zum Beispiel auf ein Display unterhalb der Frontscheibe, das die Bilder von den als Rückspiegel dienenden seitlichen Kameras und der als Innenspiegelersatz gedachten hinteren zeigen soll. Beim Concept Car sind sie allerdings außer Funktion. Aber Ausblick und Rundumsicht aus dem ID.Life sind auch sonst prima und die Aussicht auf das helle, freundliche Interieur aus Recycling-Stoffen sowie ein schick geformtes Holz-Panel machen gute Laune.

Nicht außer Funktion sind die Touchflächen für die Blinker und die Fahrtrichtung auf dem Innenteil des Steuers. Dort leuchten sonst nur noch ein paar Lämpchen für sicherheitsrelevante Grundfunktionen wie ESP oder Reifendruck, der Rest geschieht über eine spezielle VW-App auf dem Smartphone, das magnetisch am stoffbezogenen Armaturenbrett (ohne Armaturen) haftet und dort später auch induktiv laden soll. Im Testauto lassen sich am Handy sogar die Blinker einschalten oder die Leinwand für den Beamer ausfahren, der ein großes und, wenn es hinter der Windschutzscheibe dunkel ist, auch ziemlich brillantes Bild produziert.

Haushalts-Steckdose und Autokino – im ID.Life
Gimmicks? Nicht nur. Designer Jozef Kabaň glaubt, die Pandemie habe auch unser Nutzungs-Verhalten für Autos geändert. Mehr Mikroabenteuer statt Maxi-Urlaube an Fernzielen. Einfach mal ins Naherholungsgebiet statt ans Meer, zum Frühstücken in die Natur statt ins im Zweifel geschlossene Cafe. Das Concept Car zeigt ein paar Möglichkeiten für solcherlei Aktivitäten: Zum Cruisien durch die Natur öffnen Reisverschlüsse Dachsegmente vor und hinter einem mittleren Targa-Bügel, zum Filme Schauen lassen sich die Sitze schräg stellen, zum Übernachten nahe der Abendlocation alle Lehnen flach legen, eine Schuko-Steckdose hinter einer kleinen Klappe an der Front erlaubt den Anschluss eines elektrischen Grills oder Ähnlichem, im Heck, wo der müde ID.Fahrer sein Haupt betten könnte, warten USB-C-Anschlüsse zum Laden des Handys.

Ob Beamer und Leinwand wirklich ins Serienauto finden? Vielleicht nicht. Sicher wird der Frunk, wenn er kommt, nicht mit einem Reisverschluss zu verschließen sein. Aber große Chancen hat die kleine Frontklappe mit Steckdose und Fach fürs Ladekabel sowie bidirektionales Laden.

Wünschen würde man sich auch, dass der Abstand zwischen Sitzfläche und Innenboden etwas größer wird und die Sitze höhenverstellbar. Und eine verschiebbare Rückbank könnte die ordentliche Beinfreiheit der Fondinsassen noch vergrößern, wenn gerade kein so großer Kofferraum oder gar eine Liegefläche gefragt sind, sondern einfach nur die bequeme Fahrt von A nach B.