Bei Tesla Model S und X geht nach einem Software-Update Gängeeinlegen auch per Bildschirm. Und wohin der Fahrer möchte, soll das Auto errechnen können. Bei der Zulassung könnte dies problematisch sein.
Bei Twitter ist ein Video von einem ganz besonderen neuen Tesla-Feature aufgetaucht: Nutzer Michael Hsu zeigt, wie sich der Vorwärts- und der Rückwärtsgang per Fingerstrich am linken Rand des Infotainment-Bildschirms einlegen lassen. Auf dem Bildschirmrand ist die Draufsicht eines Teslas zu sehen, nähert sich der Fahrer mit seinem Finger, erscheinen vor und hinter dem Fahrzeugsymbol Vor- und Zurück-Pfeile. Zieht der Fahrer den schematisch dargestellten Tesla in die ein oder andere Richtung, ist die Fahrstufe eingelegt.
Social Media Inhalt
Leerlauf in Untermenü versteckt
Twitter-Nutzer Nick Howard zeigt ergänzend auf einem Foto vom Infotainment-Bildschirm das N-Symbol (neutral) für das Einlegen des Leerlaufs. Aktuell ist dafür anscheinend das Aufrufen des Menüs notwendig, über das der Fahrer beispielsweise auch den vorderen Kofferraum (Frunk: front trunk) oder das Handschuhfach öffnen kann. Wie der Fahrer die Parkstellung aktiviert, ist bisher unbekannt – möglicherweise ist eine automatische Aktivierung vorgesehen.
Social Media Inhalt
Gangwahlhebel verschwindet
Die Fahrstufen soll der Fahrer bei Model S und X dann nicht mehr per auf der rechten Seite des Lenkrads angebrachten Satelliten einstellen können – der Hebel entfällt komplett.
Der rechts aus der Lenksäule herausragende Gangwahlhebel ist bei den neuen Versionen von Tesla Model S und X verschwunden.
Auto soll Fahrtrichtungswunsch berechnen
Die neue Bildschirm-Gangwahlmethode ist so bisher aus der Autowelt zwar nicht bekannt, aber ein noch viel ungewöhnlicheres System hat Musk bereits vermeldet: Model S und X sollen mithilfe von Algorithmen berechnen, wohin der Fahrer als nächstes am wahrscheinlichsten möchte. In die Berechnung fließen Daten über Hindernisse in der unmittelbaren Umgebung des Autos genauso ein, wie die Daten von der Navikarte. Ob diese Anwendung von sogenannter künstlicher Intelligenz reibungslos funktioniert, ist spannend. Tesla-Chef Elon Musk hat das System ausprobiert und freut sich, dass man danach angeblich nicht mehr zu einem System mit Lenkrad-Schalthebel zurückkehren möchte.
"P R N D"-Reihenfolge nicht erfüllt
Ob die automatisierte Fahrtrichtungswahl eine Chance auf Zulassung hat, ist noch nicht geklärt – das Gänge Einlegen per Touchscreen dürfte zumindest erlaubt sein.
Allerdings ist in den für die USA geltenden Federal Motor Vehicle Safety Standards (FMSS) vorgeschrieben, dass die Reihenfolge der Automatik-Fahrstufen P R N D lauten muss. Analog dazu gibt es eine auch in Deutschland geltende ECE-Regelung für die Typgenehmigung für Rad-Straßenfahrzeuge. Die dort aufgeführte Regelung Nr. 121 (Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Fahrzeugen hinsichtlich der Anordnung und Kennzeichnung der Handbetätigungseinrichtungen, Kontrollleuchten und Anzeiger) besagt unter Punkt 11.2 Nummer 34 ebenfalls, dass die angezeigte Fahrstufenreihenfolge P R N D lauten muss. In der Fußnote 10 ergänzen die Verfasser, dass der Hersteller den Buchstaben "D" durch ein oder mehrere andere alphanumerische Zeichen oder Symbole ersetzen oder ergänzen kann, um zusätzliche Bedienmöglichkeiten anzuzeigen.
Die Gangwahl-Anzeigen-Reihenfolge "P R N D" ist eine Zulassungsvorschrift für Rad-Straßenfahrzeuge.
Diese Zulassungs-Voraussetzungen könnten bei der Tesla-Bildschirmversion mit der in einem Untermenü versteckten Leerlauf-Auswahl nicht erfüllt sein.
Fazit
Tesla-Chef Elon Musk überrascht wieder einmal mit einem ungewöhnlichen Feature für die neuen Versionen von Model S und X: Die Fahrtrichtung lässt sich über den zentralen Touchscreen per Fingerstrich auswählen, das Einlegen des Leerlaufs erfolgt über ein Untermenü – der Lenkhebel zum Einlegen der Gänge entfällt. Laut Musk handelt es sich hierbei nur um eine Art Rückfallebene – im Normalfall soll das Fahrzeug aus den Daten von Hindernissen in der Umgebung und der Navikarte berechnen, welche Richtung der Fahrer einschlagen möchte.
Dabei ergeben sich zwei Probleme: Seit Jahren rammen Teslas immer wieder am Straßenrand stehende Fahrzeuge, obwohl ihr Assistenzpaket-System, das früher Autopilot hieß, aktiviert war. Die Technik ist also nicht zuverlässig – aber Musk präsentiert lieber neue Funktionen, anstatt erstmal die Basisfähigkeiten der Assistenztechnik sicher zu machen.
Nichtsdestotrotz ist es spannend, ob die Berechnung der vom Fahrer gewünschten Fahrtrichtung mittels sogenannter künstlicher Intelligenz (Versuch, intelligentes Verhalten über Algorithmen zu simulieren) funktioniert.
Andererseits ist es fraglich, ob sowohl die Automatisierung der Fahrtrichtungsauswahl, als auch die Gangwahl per Bildschirm zulassungsfähig sind. Die ECE-Regelung Nummer 121 schreibt hier die Reihenfolge P R N D als Anzeige vor – dies scheint Tesla nach aktuellem Software-Stand mit der in einem Untermenü versteckten Leerlauf-Auswahl nicht zu erfüllen.
Allerdings hat die Autoindustrie aktuell ohnehin ein bisher ungelöstes Problem: Die Bedienung von Touchscreens während der Fahrt ist verboten.
Dieser Artikel kann Links zu Anbietern enthalten, von denen auto motor und sport eine Provision erhalten kann (sog. „Affiliate-Links“). Weiterführende Informationen hier.