Das heißt für uns: Reinlümmeln, das Kork-Lenkrad greifen, der zweilagigen Schiebetür zusehen oder im Daybed unter der hochgeklappten Frontscheibe relaxt abhängen. Deshalb: ran an das raumfunktionale Ding.
Jetzt stellen wir uns mal ganz blöd, vergessen für einen Moment das #NEXTGen-Gedöns von BMW. Zukunft aktiv mitgestalten, den privaten Raum weit in den öffentlichen hinein erweitern, dem Erlebnis eine optimale Bühne bieten und ganzheitliches User Experience Design mit nachhaltigen Materialien bei kuratierten Mini Moments bieten. Eben alles, was sich Marketingmenschen und andere Kreative so ausdenken, um die Rate ihres Betonquaderhauses mit den riesigen Fenstern samt Aussicht oder ihren 72er-Elfer zu unterhalten.
Also: vergessen. Stattdessen gucken wir jetzt gemeinsam um die Ecke. Buchstäblich. Unter blauem Himmel umrahmt von weißen Wänden im Freiluft-Fotostudio steht er. Der Urbanaut. In echt. So richtig und nicht bloß als digitale Installation, sondern aus richtigem Material. Und er sieht tatsächlich so aus wie in der digitalen Installation. Man muss sich mit Formen- und Prototypenbau nicht allzu sehr auskennen, um zustimmend zu nicken. Menschen, die sich auskennen, bekommen sogar Schnappatmung vor Begeisterung angesichts der Qualität des Einzelstücks mit den präzisen Aluminiumrahmen, den sauber gesetzten Schrauben, pfiffigen Materialien und überraschend exakten Spaltmaßen. Du musst weder Mini- noch Raumkonzept-Fan sein, um sofort einzusteigen, Gucken, tasten, herumlümmeln. Problem? Keines. Wir dürfen das. Nicht selbstverständlich, es gibt Studien, die zerfließen in der Sonne, sind so fragil, dass ihnen nach einem ordentlichen Nieser das Blech wegfliegt, oder sie fallen beim Betasten auseinander.

Kreative Raumnutzung. Since 1959
Anders der Urbanaut. So wie er dasteht. Real und solide. Es hilft, die Pressemappe mit ihren Statements kurz auszublenden (Euphemismus für: am besten, man hat nie was davon gehört). Denn das Ding spricht für sich selbst. Eine coole 4,46 Meter-Socke. Statement für maximalen Innenraum bei geringem Platzbedarf. Dazu experimentierten die Designer zunächst mit Möbeln herum, bauten entsprechende Modelle. Erst dann kam die Hülle drum. Creative Use Of Space – blöder Begriff, jedoch treffend. Effizient könnte man auch sagen. Oder traditionell, schließlich war der Ur-Mini beim Start 1959 weder Schicki-Karre noch kultiges Accessoire für Twiggy oder Mr. Bean, sondern ein Automobil, das möglichst preiswert vier Menschen durch die Gegend fahren sollte. Erfinder Sir Alec Issigonis betrieb 1959 dafür, was man heute Funktionsintegration nennt, steckte ein Rad in jede Ecke, sparte Überhänge und Ausstattung und – und fertig.
Schieben, schwenken, chillen
Ähnlich klar und revolutionär kommt der Urbanaut rüber. 4,46 Meter lang und komplett raumnutzend. Elektroantrieb macht es möglich. Elektrisch öffnet sich auch die große Schiebetür als einziger Zugang zum Urbanaut. Ihr aufwendiger Schwenk-Schiebemechanismus ist intensives Zuschauen wert. Und bei der Studie hochprofessionell ausgeführt. So schwenkt ein Teil der Seite beim Öffnen mit, die Tür öffnet quasi zweilagig unter entsprechendem mechanischem Aufwand. Danach steht eine große Öffnung zur Verfügung, entweder zum Ein- und Aussteigen oder zum luftigen Chillen. Mini gibt hier drei Modi vor: Chill, Vibe und Wanderlust, wobei letzterer für das steht, was wir früher "Fahren" nannten.

Selber fahren? Oder lieber automatisiert? Der Urbanaut kann beides!
Bloß, dass der Urbanaut den Fahrer entweder aktiv einbindet oder automatisiertes Fahren anbietet. Dazu schwenkt das kleine Steuerteil entweder in Position oder macht sich klein wie die Pedale. Was eigentlich schade ist, denn mit seinem Korkbezug fasst es sich angenehm an. Überhaupt sind Materialien ein Kernthema. Ob Kork, Stoff oder Strick: der Urbanaut zeigt Variation und neue Wege. Kuschelig wie im Wohnzimmer und hochwertig auch ohne Leder. Zudem sind manche Stoffflächen digital "bespielbar" also hinterleuchtet, um zu unterhalten oder Stimmung zu erzeugen, zum Beispiel mit einer Art virtuellem Blätterdach.

Boombox und leuchtende Räder
Fürs Ambiente ist auch der zentrale Tisch mit Pflanze, Monitor und dem sogenannten Token zuständig. Dieses bewegliche Dings von der Größe eines ordentlichen Kieselsteins mit der Optik eines Kinderflummi steuert die drei Modi des Urbanaut. Je nach Laune geht es in der Bude und draußen herum medial richtig ab. Im Extremfall wird der kleine Bus zur mobilen Boombox bei geöffneter Schiebetür und hochgeklappter Frontscheibe (die bei der Studie übrigens kaum verzerrt, Respekt). Oder der Urbanaut mimt per Musik und Hinterleuchtungen die entspannende Chillout-Lounge. Platz gibt’s genug, variable Lümmelecken oder echte Sitze ebenfalls ganz nach Gusto. Der Verzicht auf herkömmliche Auto-Architektur plus klassischer Mini-Stil macht es möglich.
Klar wirken die beleuchteten Räder aus transparentem Gummi, die bei "Vibe" im Takt der Musik wie Equalizer flackern oder Front und Heck, die per Matrix-LED mit der Umgebung kommunizieren, ziemlich schräg. Aber irgendwie lustig. Spaß haben. Dafür steht das Konzept. Leben im urbanen Raum heißt nicht, mit dem Ding in die Tiefgarage zu fahren unter dort unterm Blätterdach als digitaler Entrepreneur mobil zu arbeiten. Rausfahren, an den nächsten See, auf den nächsten Hügel, dort arbeiten, ausspannen schon eher. Das Ganze ohne viel Aufwand und Platzbedarf. Klingt logisch, oder?