MG Cyberster: Elektro-Roadster schon jetzt besser als Teslas Roadster?

MG Cyberster Elektro-Roadster
Fahrerisch eine Alternative zum Tesla Roadster?

Britisch war bei der Marke MG seit der Übernahme durch den chinesischen SAIC-Konzern nur noch der Name. 1924 gegründet, feiert MG 2024 ungeachtet dessen den 100. Geburtstag. Und wie wird gefeiert? Nicht, etwa mit einem SUV. Nein, die chinesischen Briten bringen mit dem Cyberster einen erschwinglichen Roadster auf den Markt und der fährt voll elektrisch.

Das Design: Typisch Roadster

Apropos Tradition: Bei auto motor und sport halten wir uns mit Meinungen zum Design eher zurück. Doch bei diesem Roadster wird der Redakteur ausnahmsweise schwach. Das liegt natürlich am Look des MG Cyberster. Der tritt völlig eigenständig auf, auch wenn das Marketing Design-Merkmale des MGB aus den Sechzigern bemüht. Viel eher erinnert seine Silhouette an den kürzlich eingestellten Jaguar F-Type: Lange Haube, flacher Body, kurzer Knackarsch mit Union Jack-artigen Pfeil-Leuchten. Alles fließt geradezu ineinander. Egal, ob mit oder ohne Stoffmütze.

MG Cyberster
MG

In Natura wirkt der MG Cyberster übrigens viel grösser als auf den Bildern. Tatsächlich misst er über viereinhalb Meter in der Länge (4,54 Meter), baut ohne Außenspiegel 1,91 Meter breit und ist immerhin 1,33 Meter flach. Eine ganze Menge Auto, das typisch Stromer so einiges auf die Waage bringt: rund zwei Tonnen oder genau 2.060 kg mit Fahrer.

Der Akku: Mit 400 Volt ein echter Flachmann

Der Schuldige für die üppigen Pfunde ist schnell ausgemacht: Er liegt auf 2,69 Metern zwischen den Achsen, baut nur elf cm hoch und bunkert 77 kWh Kapazität (nutzbar 74,4 kWh). Daraus resultieren 443 km nach WLTP – realistisch erscheinen eher rund 300 km, die der Bordcomputer vorhersagt. Klar, einen Roadster fährt man schließlich zum Spaß und nicht zum Sparen. Eher durchschnittlich ist auch die Ladeleistung mit maximal 144 kW sowie 11 kW an der Wallbox.

Das Interieur: Cyberpunk mit Bildschirm-Armada

Eyecatcher sind natürlich die Scherentüren. Rein fädeln? Kein Problem, die Türen schwingen elektrisch weit auf über zwei Meter empor, stoppen dank Sensoren automatisch, bevor sie irgendwo anschlagen können.

Drinnen macht der Cyberster auf Cyberpunk. Nix Retro. Sondern Digitalo. Der Fahrer bekommt gleich drei Bildschirme hinters Lenkrad, wobei sich die beiden äußeren Touchscreens schnell als nur schwer ablesbar erweisen, da sie zum einen vom Lenkradkranz verdeckt werden und sich zum anderen so stark in der Seitenscheibe spiegeln, das der Fahrer nachts kaum noch etwas im linken Außenspiegel erkennt.

MG Cyberster
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Damit nicht genug des digitalen Overkills. Für die Klima- und Lautstärkebedienung sowie einen Teil der Fahrzeugfunktionen fungiert ein kleiner Touchscreen in der Mittelkonsole mit noch kleinen Touchfeldern. Die sind für den Fahrer schon eine Fummelei. Für die zierliche Beifahrerin ist das gerade zu unmöglich, da ein massiver Haltegriff den Blick versperrt. Chauvinist? Okay, dann fährt eben die Dame. Einer von beiden muss aber abspecken, denn mehr als 150 kg Zuladung zusätzlich zum 75-kg-Fahrer sind, selbst bei einem Zweisitzer nicht gerade üppig. Da ist's fast nebensächlich, dass der Kofferraum mit 249 Liter durchaus geräumig ist und so die berühmte Golftasche plus Ladekabel schluckt. Bevor Sie fragen: ein Frunk versteckt sich unter der langen Haube leider nicht. Ablagemöglichkeiten sind innen ausreichend vorhanden, wenn auch – typisch Zweisitzer – klein gehalten.

Verarbeitung: So fein war bisher noch kein MG

Die Qualitätsanmutung ist dafür top. Bis auf die unschönen Scharniere, die bei aufstehenden Türen zu sehen sind, mutet der MG so hochwertig an, wie sie es von der Marke bisher nicht zu träumen gewagt haben. Leder, Alcantara, wenig Kunststoff. Dazu knarzt und klappert hier nichts. Ja, dagegen wirken andere Roadster geradezu günstig. Und auch die Elektronik spielt mit – kein Absturz, keine Softwarebugs. Okay, Android Auto und Apple Carplay verbinden sich zwar nur via Kabel, dafür in Sekundenschnelle.

Antrieb: viel Leistung, top Beschleunigung

Gutes Stichwort, denn E-Auto-typisch geht es mächtig vorwärts: Die zwei E-Motoren des XPower ertüchtigen 375 kW Systemleistung bei sechs bis siebentausend U/Min. Ja, auch Elektromotoren müssen Leistung aufbauen. Spürbar ist davon freilich wenig, denn das Delta zwischen Drehzahlkeller und Begrenzer fällt viel schmaler aus als beim Verbrenner. Zumal ab 1.000/min der Drehmomenthammer zuschlägt.

725 Nm lassen den Roadster via Lauch-Control in 3,2 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h schnellen. Egal, ob offen oder geschlossen. Drinnen ist das eine Show, weil das digitale Cockpit im Supersport-Modus beim Festbremsen Warp-Streifen im Zentraldisplay simuliert.

MG Cyberster
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Natürlich wirbelt der Fahrtwind die Frisur nun kräftig durcheinander, wobei das Windschott zwischen den Überrollbügeln das meiste abhält. Doch das ist nichts für Puristen, also weg damit – am besten in den schmalen Stauraum hinter den Sitzen. Zu viel Frischluft? Kein Problem. Das Stoffverdeck schließt in rund zehn Sekunden, und dann ist es innen bemerkenswert ruhig.

Fahrverhalten: Mehr Gran Turismo als Sportler

Doch wie wirkt sich der Batteriespeck – Pardon leicht erhöhte BMI – auf die Agilität aus? Zunächst einmal verteilt sich die Masse fifty-fifty und legt den Schwerpunkt richtig schön tief. Klingt schon mal nicht so schlecht, oder?

Also greifen wir ins zum Glück nur unten abgeflachte Lenkrad – kein Yoke, wie noch bei der Studie. Dafür trägt es echte Tasten für Bordcomputer und Fahrassistenz. Letztere agiert auf dem kurzen Autobahnstück zwischen Nizza und Monaco zwar etwas vorsichtig, jedoch verlässlich. Die üblichen, nervigen Assistenzapostel müssen noch etwas umständlich über den Mitteltouchscreen deaktiviert werden. Doch dann trübt fast nichts mehr das offene Glück.

MG positioniert den Cyberster nicht als Sportwagen, sondern als Gran Turismo. Das Fahrwerk stimmen die Ingenieure betont soft ab. Ohne adaptive Dämpfer wünscht sich der ein oder andere mehr Verbindlichkeit, vor allem beim Einfangen der Karosseriebewegungen. Auf der anderen Seite ist das Fahrwerkssetup ein durchaus gelungener Kompromiss. Beim Flanieren entlang der Côte d’Azur stören einen die allseits gegenwärtigen Temposchwellen trotz 20 Zoll großer Felgen kaum. Überhaupt lässt sich der MG selbst bei forciertem Tempo und wirklich schlimmsten französischen Asphaltverhältnissen auf den Bergstraßen hinauf zu den Gipfeln der französischen Seealpen kaum aus der Fassung bringen.

Das Fahrgefühl tendiert also nicht Richtung Porsche Boxster – der uns künftig auch elektrisieren wird – sondern eher zum Mazda MX-5. Ganz so verspielt und leichtfüßig wie der Japaner ist der Cyberster nicht. Doch wie beim Kultroadster aus Japan ist Wogen und Wanken Teil des Handling-Spiels.

Der MG betört seinen Fahrer dabei nicht nur mit schönen Kurven, sondern auch mit schönem Gekurve. Er lässt sich willig in jede Kehre werfen, quittiert groben Unfug mit gutmütigem Untersteuern und in letzter Konsequenz groben ESP-Eingriffen. Anders als die eben genannten Roadster verstrickt einen der Cyberster nicht in Handling-Zweikämpfe. Vielmehr gibt er den zurückhaltenden Sparringspartnern. Doch aufgepasst: Sein Heck kann auch austeilen: Im Supersport-Modus mit leichten Powerslides am Kurvenausgang oder richtig quer deaktiviertem ESP. Bei letzterem ist jedoch, wie bei fast allen Elektrosportlern, ein äußerst sensibler rechter Fuß gefragt: Zwischen Traktion und Haftungsabriss liegt so viel Raum, wie zwischen Null und Eins – digitale Kommunikation im Kommabereich.

Leichte Verbindungsprobleme gibt’s an anderer Stelle: Das liegt zum einen an der für einen Roadster erhabenen Sitzposition, zum anderen an der leicht unterkühlten Lenkung. Sie bringt zwar das nötige Maß an Direktheit und Linearität mit, könnte aber intensiver rückmelden, was an der Vorderachse passiert. Die Variationen durch die Fahrmodi sind dabei durchaus spürbar. In erster Linie dienen sie dazu, über die rechte Wippe am Lenkrad die Leistung und Lenkkräfte zuzuspitzen.

Der E-Sound ist nicht betörend, aber er hilft

Dagegen stärkt der künstliche Sound die Fahrer-Maschine-Beziehung. Zwar klingen die Elektro- und Verbrennergeräusche aus den Bose-Lautsprechern im ersten Moment befremdlich. Doch vor allem der Verbrenner-Soundtrack schärft das Geschwindigkeitsgefühl.

Klar, so lautmalerisch wie das freche Auspuffploppen eines Vierzylinders, sonorer Reihensechsersound oder das Gebrabbel von acht Zylindern ist der stille E-Antrieb freilich nicht. Doch um ehrlich zu sein, vergisst man das schnell, wenn einem der Wind mit Orkanstärke um die Ohren bläst.

Also nehmen wir Tempo raus und stellen fest: Die Brembo-Bremsen können was. Subjektiv stimmt die Verzögerungsleistung dank 365-mm-Scheiben vorn und 356-mm hinten auch noch nach kilometerlangem Bergabsteigen. Allerdings könnte der Druckpunkt klarer definiert sein. Dabei ist vom Übergang zwischen Rekuperation zur mechanischen Bremswirkung nur wenig zu spüren. Hilfreich: Die Reku-Stärke lässt sich via Paddle in drei Stufen erhöhen oder in One-Pedal-Drive via Touchscreen. Bei letzterem setzt die Verzögerung allerdings schlagartig ein, sobald der Fahrer das Fahrpedal lupft.

Preise des MG Cyberster: Basis-Version kaum günstiger

Natürlich haben sie den Cyberster bei MG auch eine Nummer kleiner. Genauer: den Hecktriebler. Der bäckt mit 250 kW und 475 Nm immer noch vollkornige Brötchen. Der Leistungsverzicht spart jedoch lediglich 100 kg und 5.000 Euro. Das Basismodell braucht bestenfalls glatte fünf Sekunden auf 100 km/h und rennt 196 km/h statt abgeregelter 200 km/h.

Ab 64.990 Euro kostet somit die Hecktriebler-Basis. Wobei es den Cyberster nur vollausgestattet gibt. Lediglich eine der sechs Lackfarben und die Überführung werden zusätzlich berechnet. Die zwei Verdeck- und Innenraumfarben sind aufpreisfrei wählbar. Das gilt genauso für das Top-Modell: Für 69.990 Euro hat der Cyberster als XPower mehr Leistung und Allradantrieb. MG bietet sieben Jahre Garantie oder 150.000 km Laufleistung auf Batterie und Motor.