Lange beherrschte das Tesla Model 3 das Segment der elektrischen Mittelklasse-Limousinen nach Belieben. Doch nach und nach traten immer mehr Konkurrenten auf den Plan, und der amerikanische Elektro-Urvater musste Marktanteile abgeben. Diese Tendenz könnte sich in Kürze verstärken, denn Mercedes hat den neuen CLA vorgestellt. Als erster Vertreter mit der neuen MMA-Plattform tritt die inzwischen in die Mittelklasse entwachsene Limousinen-Baureihe mit Coupé-Anleihen mit "Electric first"-Attitüde an – und dürfte heftig im Model-3-Revier wildern.
Da liegt es auf der Hand, dass der schwäbische Herausforderer mit dem Platzhirsch aus den USA um die Gunst der Käuferschaft rangelt. Damit diese weiß, welches Modell sie besonders in den Fokus nehmen sollte, hat sich Alex Bloch tief in die Daten beider Modelle gewühlt – was Sie im Video nach dem nächsten Absatz noch detaillierter mitverfolgen können. So stellt sich das Duell Mercedes CLA 350 4-Matic gegen Tesla Model 3 Maximale Reichweite AWD in Textform dar:
Bedienung
Das Thema wurde beim Tesla Model 3 schon immer kontrovers diskutiert. Seit dem 2023 erfolgten Facelift gibt es nicht mal mehr einen Blinkerhebel. Head-up-Display? Ebenfalls Fehlanzeige! Stattdessen gibt es einen fancy 17-Zoll-Bildschirm, der jedoch nicht klassisch auf Bediensicherheit ausgelegt ist. Der Mercedes CLA präsentiert dagegen einen klassischen Tacho- und einen 14-Zoll-Hauptbildschirm. Die Ablesbarkeit der Monitore ist sehr gut und ein Head-up-Display gibt es auch noch. Zudem verfügt er über einen Blinkerhebel und mehr direkte Tasten. Hinzu kommen große Symbole und der Warnblinkschalter befindet sich nicht im Dachhimmel wie beim Tesla. Aber: Es gibt diese "Touchquatsch"-Tasten auf dem Armaturenbrett! Die sollen künftig zwar weggelassen werden, aber in den gezeigten Vorserienautos sind sie noch drin. Trotzdem: 1:0 für den Mercedes.
Komfort
Das Tesla Model 3 der früheren Generation nervte mit einem viel zu schlechten Komfort. Die Hinterachse war unterdämpft; das Fahrwerk war insgesamt zu straff abgestimmt und einfach schlecht konstruiert. Doch das hat Tesla deutlich verbessert und das Model 3 bietet jetzt einen klassengemäßen Komfort. Mercedes will beim neuen CLA klassisch mit seinen Komfortstärken punkten, auch ohne adaptive Dämpfer. Serienmäßig bringt der CLA ein stahlgefedertes Komfortfahrwerk mit einer neu entwickelten Dreilenker-Vorderachse mit. Hinten ist eine Raumlenkerachse verbaut. Damit übernimmt Mercedes-Benz das aus seiner Mittel- und Oberklasse für gute Radführungs-Qualitäten bekannte Konzept in diesem Segment.
Dennoch gilt: Ohne den neuen Mercedes CLA gefahren zu sein, lässt sich in der Prognose kein klarer Sieger ausmachen. Deshalb unentschieden in dieser Kategorie.
Qualitätsanmutung
Tesla hat beim Model 3 bei der Qualitätsanmutung nachgelegt – das war auch dringend nötig. Inzwischen gibt es keine groben Verarbeitungsschnitzer mehr. Aber im Cockpit zeigt sich immer noch eine relativ einfache Anmutung. Der CLA wirkt auf den ersten Blick hochwertig. Zudem erlaubt das Lichtambiente mit 64 Farben plus zehn Farbwelten, 20 Helligkeitsstufen sowie drei Helligkeitszonen eine bestmögliche Individualisierung. Doch unterhalb der Gürtellinie sehen wir viel klassenüblichen Hartkunststoff, die Touch-Flächen wirken günstig. Daher: unentschieden.
Stadttauglichkeit
Beide Modelle nehmen mit ungefähr 4,72 Meter Länge zu 1,86/1,85 Meter Breite eine quasi identische Verkehrsfläche ein. Aber der Wendekreis der Allradvarianten ist beim Mercedes mit 11,20 Meter einen halben Meter kleiner als beim Tesla Model 3. Somit holt sich der Schwabe diesen Punkt.
Verbrauch
Tesla hat bei der Effizienz sowohl beim Model 3 als auch beim Model Y einen richtig guten Job gemacht. Die Antriebe verbrauchen wenig Energie und Tesla baut auch eher leichte Elektroautos. In dieser Konfiguration wiegt das Model 3 nach EU-Richtlinie 1.899 Kilogramm. Seit dem Facelift liegt zudem der cw-Wert bei nur 0,22. Obendrein haben sie zusammen mit Reifenpartner Hankook am Rollwiderstand gearbeitet. Man sieht es in den Tests: Das Auto ist sehr effizient und eine echte Benchmark in dieser Hinsicht.
Das EU-Gewicht des Mercedes von 2.135 Kilogramm liegt deutlich höher als beim Tesla. Das ist vor allem beim Rollwiderstand relevant. Einen kleinen Vorteil erarbeitet sich der CLA bei der Aerodynamik: Er präsentiert die leicht kleinere Stirnfläche und einen etwas besseren cw-Wert von 0,21 – ein absoluter Knallerwert in dieser Längenklasse. Hinzu kommen neue PSM-Motoren, wobei sich der vordere bei der Allradvariante nur bei Bedarf zuschaltet. Hinzu kommt – ganz wichtig – ein Zweigang-Getriebe am hinteren Hauptmotor. Dadurch lässt sich diese PSM (permanenterregte Synchronmaschine) öfter in Bereiche mit optimalen Wirkungsgraden bringen.
Beim weiterhin nicht sehr realistischen WLTP-Verbrauch liegt der CLA 350 4-Matic im Optimalfall deutlich vor dem Model 3 Long Range AWD in dessen effizientester Variante: 12,5 statt 14,0 kWh pro 100 Kilometer – die Differenz beträgt demnach 1,5 Kilowattstunden. Das ist ein Knaller, denn das Model 3 ist ein richtig effizientes Auto! Damit holt sich der Mercedes angesichts des schwer zu knackenden Gegners einen verdienten Punkt.
Reichweite
Mercedes wird den CLA mit zwei Akkuvarianten anbieten. Bis gegen Jahresende 2025 das Basismodell mit 58-kWh-Batterie und LFP-Zellchemie verfügbar ist, fährt der Neuling mit 85 kWh großem Energiespeicher und NMC-Zellen vor. Damit schafft er nominell eine Reichweite von 771 Kilometern. Aspekte wie Anoden, bei denen Siliziumoxid zum Graphit beigemischt ist, ein reduzierter Kobaltanteil und Maßnahmen, die eine CO₂-Reduktion auf mehreren Ebenen ermöglichen, bringen zudem Vorteile bei Umwelt- und Klimafreundlichkeit. Der Akku des Tesla Model 3 Maximale Reichweite AWD bietet eine Kapazität von 79 kWh, die für insgesamt 629 Kilometer reichen soll. Der Energiespeicher zeigt sich im Vergleich zum Vor-Facelift-Modell nicht verändert. Der seit dem Battery Day 2020 angekündigte Innovationsschub durch die 4680er-Rundzelle, die ebenfalls eine Siliziumanode aufweisen sollte, lässt in dieser Baureihe weiter auf sich warten.
Fakt ist: Der Mercedes bietet den größeren Akku sowie weniger Verbrauch. In der Realität sollte er rechnerisch bei einem konstanten Tempo von 100 km/h 645 Kilometer weit kommen, während das Tesla Model 3 Maximale Reichweite AWD 560 Kilometer schafft. Bei 130 km/h gewinnt der Mercedes mit 475 zu 415 Reichweiten-Kilometern. Deshalb holt der CLA souverän auch diesen Punkt.
Reisetauglichkeit
Mercedes wechselt mit dem neuen CLA von einer 400- auf eine 800-Volt-Architektur. Das versetzt ihn in die Lage, mit maximal 320 kW zu laden. Ein Granatenwert, denn damit erreicht er die Dimension von Porsche Taycan und Co. – als Mittelklasseauto! Um das Verhalten am Schnelllader genau beurteilen zu können, müssen wir uns jedoch noch die Ladekurve genau anschauen, sobald dies möglich ist. Der Tesla belässt es bei 400 Volt, kann aber an den neuen Tesla-Superchargern mit bis zu 250 kW laden. Nur war das bisher so, dass das nicht lange durchgehalten wurde und die Kurve schnell nach unten ging.
Von zehn bis 80 Prozent SoC ("State of Charge") laden beide Kontrahenten in 22 Minuten, sofern das Model 3 am Tesla-Supercharger hängt – das ist sehr gut. Bedeutet: Das Model 3 lädt in dieser Zeit 55 kWh nach, beim CLA sind es 60 kWh. Der Punkt ist jedoch: Da der Mercedes auch noch weniger verbraucht, kann man in der Zeit mehr Reichweite nachladen. Rechnerisch braucht der Schwabe 23 Minuten, um 300 Kilometer nachzuladen, die dann bei einem konstanten Tempo von 130 km/h dem Akku wieder entzogen werden. Beim Model 3 beträgt die Zeitspanne dafür 30 Minuten.
Obwohl der Mercedes damit die – allerdings auf WLTP basierende – Werksangabe von 325 Kilometern in zehn Minuten klar verfehlt, lädt er am DC-Schnellader dennoch deutlich schneller als der Tesla. Er holt sich folgerichtig auch diesen Punkt.
Dynamik
Das sieht auf den ersten Blick eindeutig aus: Das Tesla Model 3 Maximale Reichweite AWD hat 440 PS, der Mercedes 350 4-Matic "nur" 354 PS. Entsprechend präsentiert der Amerikaner den besseren Beschleunigungswert von null auf 100 km/h (4,4 statt 4,9 Sekunden). Problem bei Tesla: Bei den Beschleunigungsangaben arbeiten sie nach dem amerikanischen Verfahren, bei dem das Auto nicht aus dem Stand beschleunigt, sondern leicht anrollend in die Messung startet. Insofern liegt eine "echte" Null-auf-Hundert-Messung meist 0,2 bis 0,3 Sekunden über der Werksangabe. Bei der Maximalgeschwindigkeit hat der Mercedes die Nase vorn (210 statt 201 km/h). Dennoch dürfte das Model 3 in der Praxis etwas besser durchziehen – und gewinnt daher dieses Kapitel.
Transportfähigkeit
Auch hier gibt es wieder ein Problem mit den Tesla-Werksangaben, bei denen die Regeln oft individuell interpretiert werden. Wenn der ADAC den Gepäckraum des Model 3 auslitert, kommt er auf einen viel kleineren Wert (415 statt 594 Liter). Die Werksangabe von 405 Litern beim CLA erscheint dagegen realistisch. Allerdings verfügt er stufenheck-typisch über eine kleine Klappe; sperriges Gut passt hier schlechter hinein als beim Tesla. Dafür ist der Frunk des Mercedes größer als jener des Model 3 (101 zu 88 Liter). Bei der Zuladung ist der CLA mit 440 Kilogramm ebenfalls besser als das Model 3 (413 Kilogramm laut ADAC). Noch größer ist der Unterschied bei der Anhängelast (1.800 zu 1.000 Kilogramm zugunsten des Mercedes).
Da sich hier vieles noch nicht final beurteilen lässt, kommt es in diesem Kapitel zu einem Unentschieden.
EV-Fahrerassistenz
Bei Tesla klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bekanntlich eine große Lücke. Was Tesla "Full Self Driving" nennt, ist in Wahrheit ein klassisches Level-2-System. Tesla kann einiges, hat aber auch Probleme – Stichwort Phantombremsungen. Mercedes zeigt auf diesem Gebiet ebenfalls große Kompetenzen; so kommt der CLA mit Level 2+ in China, was laut Hersteller in Deutschland regulatorisch noch nicht gehen soll. Fakt ist: Die Sensorausstattung bei Mercedes ist besser, denn da ist auch noch ein Radarsystem drin. Beim Tesla haben wir nur eine Kameraausstattung, was vor allem bei schlechtem Wetter Nachteile bietet.
Da wir uns das aber auch noch einmal genau anschauen müssen, ergibt sich hier wieder ein Remis.
Preis
Das Tesla Model 3 Maximale Reichweite AWD kostet 50.970 Euro in der Basisausstattung. Mit relevanten Extras wie 19- statt 18-Zoll-Rädern, dem etwas besseren Autopiloten und Co. liegt er bei fast 57.000 Euro. Beim CLA gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine genauen Preise. Doch der 350 4-Matic wird wohl ebenfalls bei etwa 50.000 Euro starten und in einer vergleichbaren Ausstattung über 60.000 Euro liegen. Das kann er sich aber auch erlauben – siehe Ergebnistabelle und Fazit.