Bollinger B2: Was klingt wie ein gepanschter Wein, ist in Wahrheit ein Geländewagen aus den USA. Richtig gelesen: Die Elektroautos von Bollinger mögen fast so heißen wie eine Rotweinsorte und ähnlich aussehen wie die britische Geländewagen-Ikone Land Rover Defender, stammen aber aus den Vereinigten Staaten. Das 2014 gegründete und nach dem Gründer Robert Bollinger benannte Start-up wollte ursprünglichen Plänen zufolge Anfang 2022 mit der Serienfertigung seiner kernigen Offroader (neben dem B2 plante das Unternehmen noch den B1 mit geschlossener Kabine) starten.
Doch daraus wird nichts, zumindest vorerst. Wie Bollinger inzwischen offiziell bekanntgegeben hat, wird der Produktionsstart der beiden für Privatkunden gedachten Baureihen B1 und B2 auf unbestimmte Zeit verschoben. Stattdessen verschiebt das Unternehmen seinen Fokus auf Nutz- und kommerzielle Flotten-Fahrzeuge. Ob diese Modelle auf Basis des Pick-ups entwickelt werden oder sich Bollinger fortan nur noch auf seinen Lieferwagen Deliver-E konzentrieren will, bleibt bislang allerdings noch im Verborgenen.
Rückerstattung von Anzahlungen
Dieser Schritt werde es Bollinger Motors ermöglichen, weiter zu wachsen und Technologien zu entwickeln, die einen großen Einfluss auf die grüne Zukunft der Automobilindustrie haben werden, heißt es in dem Statement. Da die Amerikaner vorhandene Reservierungen stornieren und bereits geleistete Anzahlungen zurückzahlen werden, ist nicht davon auszugehen, dass Bollinger in naher Zukunft ins Privatkunden-Geschäft einsteigen wird.

Es ist noch gar nicht so lange her, da trieb Bollinger die Entwicklung des B2 noch zielstrebig voran. Ende 2020 wurde beispielsweise das finale Design präsentiert. Die Änderungen gegenüber den Prototypen waren marginal. Die B-Säule wanderte etwas nach vorne, um den Einstieg auf die hinteren Plätze zu erleichtern. Zudem wurden Ladebett und Cockpit baulich getrennt, was alternative Heckaufbauten erleichtern sollte. Die Gürtellinie setzte kaum merklich höher an, die Dachlinie und Fenster legten ebenfalls etwas an Höhe zu. Die seitlichen Schiebefenster mussten konventionell mit Kurbeltrieb zu öffnenden Fenstern weichen. Zulegen in der Breite konnte der vordere Kofferraum, weil bislang vorne montierte Kühler aufgrund technischer Verbesserungen entfallen konnten. Damit wanderten auch die Scheinwerfer weiter nach außen.
Die Reichweite der 120-kWh-Batterie: 322 km
Für jede Achse sollte ein Elektromotor zuständig sein, was den Bollinger B2 zum Allradler gemacht hätte. Die Gesamtleistung der "Beta-Prototypen" betrug 458 kW / 623 PS, das maximale Drehmoment war bei 906 Newtonmetern angesiedelt. Den Sprint von 0 auf 60 mph (96,6 km/h) sollte der Elektro-Offroader in 4,5 Sekunden absolvieren, bei 161 km/h war laut Werksangaben Schluss mit der Beschleunigung.

Sollte der Elektro-Pick-up doch irgendwann noch gebaut werden, dürfte Bollinger das konstruktive Layout mit im Wagenboden installierter 120-Kilowattstunden-Batterie, die genug Energie für 322 elektrisch gefahrene Kilometer liefert, beibehalten. Rekuperieren soll der Bollinger ebenso können wie besonders schnell laden: Nutzt man den amerikanischen DC-Fast-Ladestandard, soll eine leere Batterie bereits nach 75 Minuten wieder mit Elektroenergie vollgetankt sein. Mit anderen Standards kann das bis zu zehn Stunden dauern.
Platz für Vier und reichlich Ladung
Der B2 bietet Platz für vier Insassen, wiegt knapp 2,3 Tonnen und soll noch einmal genauso viel zuladen können. Die Anhängelast gibt Bollinger mit 3,4 Tonnen an. Die Ladefläche ist 1,20 Meter breit und 1,80 Meter lang, kann aber in den Innenraum verlängert werden, indem die Rückwand des Cockpits geöffnet und die hinteren Sitze umgeklappt werden. Dann steht eine knapp 2,5 Meter lange Fläche zur Verfügung. Weil unter der vorderen Haube kein Motor sitzt, ist hier ein zusätzlicher Kofferraum untergebracht. Obendrein bietet sich die Möglichkeit, sperrige Gegenstände von ganz vorne nach ganz hinten durchzuladen. Insgesamt misst der Bollinger 5,27 Meter in der Länge, 2,26 Meter in der Breite (inklusive Außenspiegel) und 1,85 Meter in der Höhe. Der Radstand beträgt 3,53 Meter.

Natürlich geht es bei einem Auto, das so kernig auftritt, auch um die Geländegängigkeit. Und da scheint der B2 gute Voraussetzungen mitzubringen. Seine Bodenfreiheit beträgt bis zu 38 Zentimeter. Die mit 285/70er-Reifen bezogenen 17-Zoll-Räder sollen einen Spielraum von 25 Zentimetern bieten, was auf Verschränkungspassagen wichtig wird. Die Rampenwinkel betragen vorne 52 und hinten 28 Grad, während Bollinger den Böschungswinkel mit 25 Grad angibt.
Nichts für Sicherheitsfanatiker
Sicherheitsfanatiker hätten sich wohl schwer getan mit den Offroadern von Bollinger: Airbags waren nicht geplant; Sitzgurte hätten als passives Sicherheits-Feature reichen müssen. Auch in puncto Komfort kam der B2 eher abgespeckt daher. Immerhin hätte es eine Klimaanlage, Bluetooth und sechs 110-Volt-Anschlüsse für externe Geräte sowie – optional – bis zu vier beheizte Sitze geben sollen. Als Gimmick waren abnehmbare Scheiben, Türen und Dachelemente geplant.

Vielleicht basiert die Entscheidung gegen das Privat- und für das Flottenkunden-Geschäft auch auf der Tatsache, dass Bollinger den B2 für einen sehr hohen Grundpreis anbieten wollte (oder musste, um damit Geld verdienen zu können). Die Tarife für den B1 und den B2 wurden auf 125.000 US-Dollar festgelegt. Zum Vergleich: Die Basisversion des bereits erhältlichen Rivian R1T kostet exakt die Hälfte; der Ford F-150 Lightning ist noch günstiger. Mit der Strategieänderung sind auch die Pläne der Amerikaner hinfällig, den B2 zu exportieren. Bollinger strebte Zulassungen in Kanada, der EU, Australien und Neuseeland an. Folgerichtig waren auch rechtsgelenkte Exemplare geplant.
Chassis-Version für Umbauer
Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt, ob Bollinger den B2 für gewerbliche Kunden weiterhin als reine Chassis-Variante anbieten wird. Ursprünglich wollte man damit Kunden ansprechen, die ihren eigenen Aufbau mit der Elektro-Plattform kombinieren möchten. Diese Version sollte immer die zweitürige Kabine tragen, aber in der restlichen Konfiguration variiert werden können.

Sogar die Preise für diese Variante standen bereits fest. So sollte es den B2 mit kurzem Radstand, reinem Hinterradantrieb, hinterer Starrachse und einer Zuladung von 3,4 Tonnen ab 70.000 Dollar geben. Sollte die Hinterachse mit Zwillingsbereifung bestückt sein, wäre der Grundpreis auf 72.500 Dollar gestiegen. Wer Allradantrieb benötigt, hätte das B2-Chassis mit langem Radstand, zwei E-Motoren und einer Einzelradaufhängung an der Hinterachse zum Preis von 100.000 Dollar bekommen können. In dieser Version hätte sich allerdings die Zuladung auf 2,3 Tonnen reduziert.