So werden Auspuffgeräusche am Auto und Motorrad gesteuert

Abgas- und Umwelttechnik
Auspuffgeräusche bei Autos und Motorrädern

Motorensound. Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Während die einen einen sonoren Auspuffklang noch als Musik empfinden, bezeichnen andere das Geräusch bereits als störenden, gesundheitsschädigenden Lärm.

Die Wahrheit liegt zusammen mit einem vernünftigen, weil ja auch vor dem bewegten Fahrzeug warnenden Fahrgeräusch irgendwo dazwischen. Der Grund: Die Geräuschemission von Fahrzeugen ist in Deutschland gesetzlich streng limitiert: und zwar seit fast 100 Jahren.

Auf internationaler und europäischer Ebene wurden Fahrgeräusche lange Zeit sehr unterschiedlich bewertet und begrenzt. Doch schon seit einigen Jahren geht es nun übertriebenem Auspufflärm mit EU-einheitlichen Regelungen an den Kragen. Während in den Jahren vor 2016 für Pkw ein allgemeiner Grenzwert von 74 dB(A) (80 dB(A) für Motorräder) galt, der nach den Normblättern 97/24 EG oder ECE-R 41.03 in beschleunigter Vorbeifahrt gemessen wurde, kommt seit vier Jahren nun die ECE-R 41.04 für Motorräder respektive die ECE-R 51.03 für vier- und mehrrädrige Fahrzeuge zur Anwendung (siehe auch "So werden Fahrgeräusche gemessen" – am Ende des Artikels). Für Motorräder gelten seither 77 dB(A) als Höchstwert, Standard-Pkw dürfen aktuell 72 dB(A) laut sein. Das klingt recht leise und ist es auch. So sollte nach der angewendeten Norm das Vorbeifahrgeräusch eines aus Tempo 50 voll beschleunigenden Kompaktautos aktueller Produktion in 7,5 Metern Entfernung nicht lauter sein als die übliche Geräuschentwicklung in einem Großraumbüro oder dem einer Waschmaschine beim Schleudern

Dass Autos mehr zur allgemeinen Geräuschminderung beitragen müssen, steht außer Frage: Schon in den nächsten Jahren werden die Grenzwerte für neu in den Verkehr gebrachte Fahrzeuge, in vier Kategorien eingeteilt, weiter stufenweise verringert.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

Beschlossen und umgesetzt wird eine vom Leistungsgewicht des Modells abhängige Beschränkung des Grenzwerts. Will ein Hersteller etwa eine Typzulassung für ein Auto erhalten, das 120 kW/164 PS pro Tonne Gewicht leistet, darf es ab Juli dieses Jahres während eines komplizierten Testzyklus maximal 70 Dezibel laut sein. Zweisitzigen Sportwagen mit einem Leistungsgewicht von über 200 kW/272 PS pro Tonne und einer Sitzhöhe von 450 mm über dem Asphalt werden hingegen ganze 74 Dezibel zugestanden. In vier Jahren sollen, das ist bereits festgeschrieben, die Grenzwerte um weitere zwei Dezibel sinken.

Reifen lauter als Motoren?

Spätestens dann wird die Entwicklung noch leiserer Abgasanlagen anspruchsvoll. Denn: Lauter werden Autos, das zeigt die praktische Erfahrung, je schneller sie fahren. Dabei sind es, ausgenommen bei Sportwagen und solchen, die es werden wollen, selten sonore Motorgeräusche, die das Ohr erreichen. Deutlicher zu hören sind fauchende und pfeifende Wind- sowie surrende, brummende und singende Reifengeräusche.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

Wenn die zukünftigen Normen mit einer Reduzierung des beschleunigten Vorbeifahrgeräuschs auf 68 dB(A) tatsächlich Wirkung zeigen sollen, müssen auch die Reifen deutlich leiser werden. Liegt doch heute die im Reifenlabel dokumentierte Geräuschemission eines komfortablen Marken-Sommerreifens wie dem Continental PremiumContact 6 bei rund 71 dB(A). Ein vergleichbarer Winterreifen ist noch etwas lauter und kommt, wie etwa der Conti WinterContact TS 850 P, auf 72 dB. Wie kommen diese Geräusche zustande, und sind sie nicht vermeidbar?

Ursachen von Reifengeräuschen

Reifengeräusche haben verschiedene Ursachen, die wichtigsten sollen hier kurz genannt werden: Beim Airpumping genannten Effekt verdrängt der Reifen die vor ihm aufgestaute Luft, die zischend und fauchend durch die Profilrillen hindurchgepresst wird. Bei den durch Blockaufschlag entstehenden Reifengeräuschen ist eher ein Summen zu hören. Dieses Geräusch entsteht so: Profilrillen unterteilen den Reifen, es entstehen Profilblöcke. Je nach Größe dieser Blöcke treffen sie mit unterschiedlicher Wucht hörbar auf den Asphalt auf. Diesem Effekt versucht der Reifenhersteller durch verschobene, unregelmäßige Anordnung der Blöcke zu entgegnen. Gleichzeitig wird versucht, durch intelligente und unregelmäßige Variation der Blockgrößen und Formen Schwingungen und insbesondere Resonanzen, die ebenso hörbaren Eigenschwingungen im Reifen, zu verhindern.

Können laute Sportwagen legal sein?

Entspricht die montierte Abgasanlage an diesen Fahrzeugen dem Serienzustand und ist nicht manipuliert, kann man bei lauten Sportwagen wie auch bei akustisch präsenten Motorrädern davon ausgehen, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Ein Widerspruch? Nein, die Geräuschgesetzgebung verlangt zur Bestimmung des Fahrgeräuschs lediglich die "beschleunigte Vorbeifahrt" nach ECE-R 41.04 für Motorräder respektive die ECE-R 51.03 für Pkw (siehe Info "So werden Fahrgeräusche gemessen" am Ende des Artikels)

Und nachdem die Rahmenbedingungen dieses Tests sehr genau bekannt sind und ohnehin nur in einem sehr engen Geschwindigkeits- und Zeitfenster gemessen wird, ist es findigen Fahrzeugtechnik-Ingenieuren ein Leichtes, die Messung durch intelligente Prüfzykluserkennung zu umgehen.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

Möglich ist dies durch eine oder mehrere elektronisch-pneumatisch ansteuerbare Klappen im Abgasstrang.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

So erkennt etwa die Elektronik, dass der Wagen, wie für den ECE-Geräuschtest vorgeschrieben, im definierten Gang in Vollgasstellung über Tempo 50 hinwegbeschleunigt wird. Sofort wird nun eine Klappe im Abgasstrang geschlossen und das lärmende Gas über einen hocheffizienten Schalldämpfer flüster- leise ins Freie geleitet.

Schon nach wenigen Sekundenbruchteilen – weil dann nicht mehr testbeeinflussend – kann die Klappe wieder geöffnet werden, der Sportwagen brüllt wieder. Sind diese Klappen serienmäßig im Fahrzeug vorhanden, bei vielen Sportwagen bis hin zu sportlichen Kompakten ist dies so, ist das Geräuschverhalten, vorbehaltlich einer manipulierten Anlage, absolut gesetzeskonform.

Bis vor Kurzem durfte sogar die Klappenfunktion, durch vom Fahrer erreichbare Tasten, ferngesteuert beeinflusst werden.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

Bei Sportlern neueren Zulassungsdatums ist dies nicht mehr so. Hier fordert der Gesetzgeber, dass für eine Umstellung des Geräuschverhaltens der Fahrersitz verlassen werden muss. Die Umschalter, für den Betrieb des Fahrzeugs auf Rennstrecken gedacht, sind dann im Koffer- oder Motorraum angebracht.

Sind Klappenauspuffanlagen legal?

Ja und nein! Bei Fahrzeugen, die herstellerseitig bereits mit einer Klappenauspuffanlage ausgerüstet sind, kann eine Zubehörauspuffanlage mit Klappen nachgerüstet werden.

Wenn die Ansteuerung dieser Klappen dem Verhalten der Serie entspricht, ist in diesem Fall die Nachrüstung legal. Absolut illegal ist jedoch die Nachrüstung von Umschaltklappen in ursprünglich nicht mit klappengesteuerten Abgasanlagen ausgerüsteten Fahrzeugen. Diese Systeme werden oft von Internethändlern für vergleichsweise kleines Geld angeboten und lassen sich teilweise von Handy-Apps aus steuern. Der Einbau dieser Systeme zählt zu den unzulässigen Modifikationen und ist somit absolut verboten.

Ebenso illegal ist es, das Regelverhalten einer serienmäßigen Klappenauspuffanlage etwa mit einem elektronischen Zusatzsteuergerät zu verändern oder die Klappe mechanisch außer Betrieb zu setzen.

Und in Zukunft? Für Klappen- und Sportauspuffanlagen gilt dieselbe Regel wie bisher: Sie dürfen die vorgegebenen Grenzwerte nach dem aktuell gültigen Regelwerk nicht überschreiten. Somit werden wohl auch potente Sportwagen im Alltag etwas leiser werden. Was der Bolide außerhalb des Messzyklus veranstaltet, obliegt weiterhin dem Augenmaß und der Verantwortung des Herstellers. Gefeilt wird in den Entwicklungsabteilungen schon heute am Motorklang des Sportwagens der Zukunft: Sound wird auch dann zum guten Ton gehören. Mehr aber soll der konzertante Auftritt den Kunden überzeugen, nicht pure Lautstärke.

So werden Fahrgeräusche gemessen

Beschleunigte Vorbeifahrt ISO/R 362

Bei der Geräuschmessung in "beschleunigter Vorbeifahrt" wird zunächst eine meist im Freien befindliche Teststrecke in Form einer Geraden eingerichtet. Sie besteht aus einer 20 x 20 Meter großen Asphaltfläche, dem Prüfbereich, der mit einem nach ISO 10844 genormten Fahrbahnbelag versehen sein muss. Mittig über diese Prüffläche verläuft die Fahrbahn, links und rechts davon in exakt 1,2 Metern Höhe und mit 7,5 Metern Abstand zur Fahrbahnmitte sind zwei Messmikrofone angebracht, die den Schallpegel aufnehmen sollen.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

Zusätzlich sind Einrichtungen zur Dokumentation der gefahrenen Geschwindigkeit (Radar oder Lichtschranken) vorgesehen. Das Prüffahrzeug wird nun so beschleunigt, dass es möglichst exakt auf der Mitte der 20 Meter langen Prüfstrecke 50 km/h erreicht. Der einzulegende Gang sowie der zu nutzende Drehzahlbereich sind in der Messvorschrift exakt definiert. Ab 10 Meter vor den Messmikrofonen muss das Gaspedal voll durchgetreten sein und bis mindestens 10 Meter nach der Messstelle am Bodenblech gehalten werden. Mehr als 80 km/h werden bei dieser Messung in der Regel jedoch nicht erreicht. Alle Dezibelwerte, die innerhalb der 20 Meter gemessen werden, zählen für die Prüfung, genommen wird der höchste innerhalb der Strecke gemessene Wert. Wer bei der Durchfahrt durch die 20 Meter lange Messstelle von einer mittleren Geschwindigkeit von 50 km/h (13,9 m/s) ausgeht, kann leicht berechnen, dass das Schallereignis nur rund 1,44 Sekunden dauert (20 m/13,9 m/s = 1,44 s).

Für den, der es genau wissen will, lautet die Messvorschrift verkürzt so: Die Kraftfahrzeuge sollen in diesem Test die Messstrecken in unbeladenem Zustand durchfahren. In der Regel wird zur Messung der dritte Gang benutzt. Das Kraftfahrzeug soll mit gleichmäßiger Geschwindigkeit (ohne Bremsung) bis zur Linie A gefahren werden, und zwar mit 3/4 der Motordrehzahl, bei der die höchste Motorleistung erreicht wird, aber höchstens mit 50 km/h. Bei Überfahren der Linie A soll das Gaspedal (bzw. der Gasdrehgriff bei Motorrädern) so schnell wie zweckmäßig in Vollgasstellung gebracht werden. Nach der Linie B soll das Gas so schnell wie möglich wieder in Leerlaufstellung gebracht werden. Zusätzlich zu der Empfehlung ISO/R 362 wird Folgendes empfohlen: Falls der Motor bei Vorgehen eine Drehzahl erreicht, die über der zulässigen Höchstdrehzahl des Motors liegt, so ist anstelle des genannten Getriebegangs ein höherer zu wählen, und zwar der, bei dem gerade keine Grenz- oder Abregeldrehzahl mehr erreicht wird (z. B. Lastkraftwagen oder Sportwagen). Bei Automatikgetrieben ist die im Stadtverkehr übliche Fahrstufe zu benutzen. Beim plötzlichen Beschleunigen bei Linie A soll dabei das Herunterschalten durch Kickdown in den nächstniedrigeren Gang etwa durch Einlegen des manuellen Schaltmodus verhindert werden.

Technik-Info

Kennzeichnung von Auspuffanlagen

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Auf diese Zeichen müssen Sie achten: Über die Zulässigkeit von Abgasanlagen im Straßenverkehr entscheidet, nach welchen Richtlinien sie geprüft und freigegeben wurden. Systeme, die mit einem e-Kennzeichen markiert sind, dürfen ohne weitere Maßnahmen eingebaut und benutzt werden. Gleiches gilt, wenn für die Anlage eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) besteht. Diese früher üblichen, nationalen ABE wurden zwischenzeitlich durch das europaweit gültige e-Prüfsiegel abgelöst. In beiden Fällen müssen jedoch die entsprechenden Begleitpapiere im Fahrzeug mitgeführt werden.

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Herzog (1) AMG (1) Eisenmann (2) Audi (1)

Wird die Anlage per Teilegutachten geliefert, muss das System mit der passenden TG-Nummer von einer Prüfstelle abgenommen und in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden.