Dem Marken-affinen Technik-Gourmet muss es beim Lesen des Datenblattes sicher so ähnlich gegangen sein wie den Liebhabern gehobener Lebensart beim Studium der Speisekarte im bevorzugten Sterne-Restaurant: Elektrisiert von den dort niedergeschriebenen Verheißungen musste ihnen nicht nur das Herz aufgehen – es konnte sogar passieren, dass die Fantasie mit ihnen durchging.
Quattro-Antrieb mit neuem Kronenrad-Mittendifferenzial und selektiver Momentensteuerung, Sportfahrwerk, Sportdifferenzial mit variabler Kraftverteilung zwischen den Hinterrädern, hoch drehender V8-Sauger mit 450 PS, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe mit Launch Control, Dynamiklenkung, Keramikbremse und dazu drumherum die vielen reizenden Nettigkeiten, mit denen dieses exklusive Menu der Audi Quattro GmbH garniert ist.
Das im Mai 2010 bei sport auto erstmals im Fahrbericht vorgestellte Audi RS5 Coupé gab technisch betrachtet also Anlass zu kühnsten Hoffnungen. Eine Wiedergeburt des legendären Ur-Quattro vielleicht? Ein neuer Porsche-Bezwinger? Oder wenigsten einer, der dem ewigen Vorbild in dieser Klasse, dem BMW M3, mal richtig die Leviten lesen kann?
Erste Audi RS5-Generation bot noch Potenzial
Nun, die Hoffnungen wurden zum Leidwesen des hoch ambitionierten Audi-Lagers nicht erfüllt – und letztlich erneut von einem zerstört, der – natürlich inoffiziell – gezielt als Gegner ins Visier genommen worden war. So endete der Vergleichstest vom Audi RS5 Coupé gegen den BMW M3 mit einem verbindlich klingenden, aber deutlichen Statement: „Der Audi RS5 übertrifft das M3 Coupé in Leistung, Preis und Gewicht, nicht aber in der Fahrdynamik.“ Die Ohrfeige saß.
Die Antwort auf das geteilte Presse- und Kundenecho ließ nicht lange auf sich warten: „Modellathlet in neuer Form“, heißt es aktuell seitens der Quattro GmbH, die dem Audi RS5 Coupé, Jahrgang 2012, mit optischer und vor allem technischer Akzentuierung energisch auf die Sprünge helfen will.
Auch wenn im Zuge des allgemeinen Audi A5 -Facelifts die optische Aufwertung nicht verborgen bleibt: Der Halbsatz „in neuer Form“ bezieht sich offensichtlich weniger auf die geschärften Konturen an der Motorhaube und den Radläufen beziehungsweise an den neuen, keilförmigen Xenon-Scheinwerfern, dem prägnanter gestylten Singleframe-Grill und den neuen LED-Rückleuchten, sondern – das ist die erfreuliche Nachricht – in erster Linie auf die austrainierteren Sporttalente.
Gewichtszunahme trotz Leichtbau
Das knapp 4,70 Meter lange und fast 1,90 Meter breite Audi RS5 Coupé als „Modellathlet“ zu akzeptieren, fällt aber schon deshalb nicht leicht, als das nominal der Mittelklasse zugehörige Coupé im Supertest mit vollgetankt 1.880 Kilogramm auf der Waage steht und damit gegenüber dem zuletzt gemessenen Modell um weitere 64 Kilogramm zugelegt hat.
Und zwar nicht etwa deshalb, weil – wie angesichts des starken Leistungsumfelds erhofft – das Tankvolumen von 61 Liter erhöht worden wäre. Vielmehr vereint der Audi RS5 in der vorliegenden Testversion so gut wie alle Ausstattungsoptionen, die in der Preisliste aufgeführt sind.
Darunter selbstverständlich auch alles, was direkt oder indirekt schneller macht: 20-Zoll-Räder, Keramikbremse, Sportfahrwerk plus, Sportdifferenzial, Dynamiklenkung, Schalensitze und Vmax-Anhebung auf 280 km/h.
Supertest-Audi RS5 Coupé kostet 104.200 Euro
Rund 15.000 Euro zusätzlich müssen über den Basispreis von 78.200 Euro hinaus investiert werden, um den von Audi gleichfalls gern verwendeten Begriff „Ausnahmeathlet“ auch angemessen rechtfertigen zu können.
Eine Verbesserung in den Fahrleistungen lässt sich, abgesehen von der aufpreispflichtigen Vmax-Anhebung auf 280 km/h, aus den genannten Stellhebeln nicht ableiten – wie auch? Der Motor, ein auch optisch wunderschön aufbereiteter, hoch drehender 90-Grad-V8-Direkteinspritzer mit 4,2 Liter Hubraum, ist nach wie vor mit nominell 450 PS und einem maximalen Drehmoment von 430 Newtonmeter am Start.
Aber trotz des aus der aktuell höheren Fahrzeugmasse resultierenden schlechteren Leistungsgewichts (4,2 gegenüber bisher 4,0 kg/PS) hat das V8-Coupé in Sachen Beschleunigungs-und Durchzugsvermögen zugelegt. Mit 4,4 Sekunden aus dem Stand bis Tempo 100 km/h knackt der neue Audi RS5 im Supertest die Werksangabe um eine, die Vorgabe des Vorgänger sogar um drei Zehntelsekunden.
Daraus den Schluss zu ziehen, das dies nur mit einer Extra-Dosis Leistung zustande gebracht werden kann, liegt zwar nahe – ist aber sachlich nicht zu belegen. Der von sport auto anberaumte Prüfstandslauf ergab mit 448 PS bei 8100/min fast eine Punktlandung.
Das Geheimnis liegt – wie so oft – in der Luft, oder besser: in der Lufttemperatur und damit im Sauerstoffgehalt. Sobald nämlich die Umgebungstemperatur ein gewisses Maß übersteigt – sei es wegen der äußeren Bedingungen und/oder wegen der eigenen Abwärme –, flacht die Leistungskurve am oberen Ende ab.
Ein Phänomen, das bei Verbrennungsmotoren generell nicht ungewöhnlich, bei diesem Typ Saugmotor aber sehr deutlich ausgeprägt ist. Die Prüfstandsergebnisse korrelieren im Übrigen exakt mit den mehrfach anberaumten Fahrleistungsmessungen: Je kühler der Kopf, desto höher die Leistung respektive das Temperament – und umgekehrt.
In den Sprintprüfungen bis 100 km/h ergibt sich abhängig von der Fieberkurve damit ein Delta von gut und gerne einer halben Sekunde. Nebenbei bemerkt stellt auch das mit dem Motor perfekt kooperierende Doppelkupplungsgetriebe klare Bedingungen hinsichtlich des eigenen Wärmehaushaltes.
Wird es dem Siebengang-Automaten nach einer Vollgas-Sprintetappe mit Unterstützung der Launch-Control zu heiß, reduziert er bei wiederholtem Versuch mit Rücksicht auf die beiden hoch belasteten, bauartbedingt kleinen Kupplungen die Anfahrdrehzahl selbsttätig von ursprünglich voreingestellten 5400/min auf 4800/min. Spitzenresultate lassen sich erst wieder nach einer ausgedehnten Abkühlphase erzielen.
Angesichts des vorliegenden Leistungsniveaus ist man jedoch geneigt, über Streuungen dieser Breite generös hinwegzusehen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die Kombination aus V8-Sauger/Doppelkupplungsgetriebe/Allradantrieb stellt schon diesseits des Zahlenwerks ein höchst emotionales, um nicht zu sagen begeisterndes Technik-Gebinde dar.
Das Audi RS5 Coupé zeigt rennsportliche Züge
Obwohl beim Audi RS5 vom Prinzip her gegenüber dem Vorgänger alles beim Alten geblieben ist, fühlt sich alles wie neu an. Allein die Klanggewalt des vom Feinschliff im Ansaug- und Abgasbereich profitierenden Langhubers – sämig, kernig und dumpf im unteren Drehzahlbereich, dabei nie aufdringlich oder gar vulgär – ist dazu angetan, die Nackenhärchen Spalier stehen zu lassen.
Im letzten Drehzahldrittel, bis zur Maximalmarke von knapp über 8.000 Touren, geht der von einem Klappensystem in den Auspuffsträngen modulierte V8-Sound – so, wie man es erwarten darf – dann ins anregend Dramatische über. Vor lauter Begeisterung fängt der V8 dann an zu schreien, ohne dabei im Innenraum als übermässig laut empfunden zu werden. Immer und überall geht der Motor dank seines guten Massenausgleichs hoch kultiviert ans Werk.
Die satte, ja geradezu melodiöse Akustik erreicht ihren Höhepunkt, sobald das Doppelkupplungsgetriebe Anlass sieht, selbsttätig aktiv zu werden. Die effektvollen Zwischengastöne beim aktiven Herunterschalten über die Schaltpaddel am Multifunktions-Lenkrad sind ein akustisches Abbild dessen, was so oder ähnlich auch in der DTM zu hören ist.
Dort spielt bekanntlich seit Neuestem auch ein Audi A5 Coupé die Rolle des Straßenablegers, typischerweise auch mit V8-Triebwerk und automatisiertem Getriebe. Beides allerdings in Ausbaustufen, die mit der Serie nicht mehr allzu viel gemein haben.
Wie dem auch sei: Dem begeisternden Antriebsstrang des RS würde man es aufgrund seiner höchst professionellen Beiträge locker abnehmen, wenn behauptet werden würde, dass es sich bei ihm um einen direkten Ableger des Rennobjektes aus dem DTM-Fahrerlager handelt. Die optionale Sportabgasanlage mit den schwarzen Endrohrblenden ist sicher nicht ganz unschuldig an dieser von leidenschaftlichen Sportfahrern gern akzeptierten Parallelität.
Dass die Schaltimpulse im Supertest-Audi RS5 beim jeweiligen Ausdrehen der Gänge nicht ganz so eng gestaffelt sind wie bei DTM-Rennern, ist der grundsätzlich völlig konträren Übersetzungs-Philosophie zwischen Rennwagen und Straßensportlern geschuldet.
Währen die Gangstufen im Renner nach oben heraus immer enger werden, muss sich der Audi RS5-Pilot in den oberen Gängen mit einer deutlich breiteren Spreizung arrangieren.
Vor allem der siebte und letzte Gang ist mit Rücksicht auf die Brennstoff-Effizienz des vom Prinzip her doch eher durstigen Motors auffällig lang angelegt, weshalb es bei anstehenden Überholphasen angeraten erscheint, mit dem linken Fingertipp kurzerhand eine oder zwei niedrigere Stufen freizuschalten – das gilt selbstverständlich nur, sofern der manuelle Modus aktiviert ist. Ansonsten funktioniert das automatisch.
Quattro-Antrieb sorgt für ein souveränes Fahrverhalten
Die aktive Einflussnahme in die Mechanismen des mit zwei Kupplungen arbeitenden Getriebes macht aber weder Mühe, noch stört es die Harmonie im Kraftverlauf. Im Gegenteil: Die Siebengang S tronic zeigt in der jetzigen Ausbau- beziehungsweise Pflegestufe eine in den Abläufen nicht gekannte Verschliffenheit und Perfektion – sowohl im manuellen Modus als auch in den automatisierten Programmen D und S.
Streiten ließe sich lediglich über die im S-Modus aus nachvollziehbaren Gründen hinterlegten, späten Schaltpunkte. Das beim Audi RS5 insgesamt hohe Drehzahlniveau will nicht so recht zu der von Kraft und Herrlichkeit getragenden Souveränität passen, die einem Achtzylinder-Coupé dieser Leistungsstufe natürlicherweise anhaftet. Dann doch lieber mit den direkt hinterm griffigen Lenkradkranz montierten Schaltpaddeln spielen und den grandiosen Zwischentönen des Motors lauschen ...
Das ebenso verbindliche wie unterhaltsame Arrangement aus hoch drehendem Saugmotor und hochtechnisiertem Getriebe erhält insofern zusätzlichen Reiz, als der im Audi RS5 Coupé serienmäßig installierte Allradantrieb einen geradezu lässigen und betont unangestrengten Umgang mit der V8-Power erlaubt.
Sei es der lockere, von Siegesgewissheit getragene Sprint beim Ampelstart, oder das sichere, von unerschütterlicher Zuversicht geprägte Durchqueren potenziell beängstigender, weil rutschiger Streckenstücke. Der – wie es scheint – auf alles gefasste, in mehrerlei Hinsicht variable Quattro-Antrieb sorgt immer und überall dafür, dass die Handflächen trocken und die Augen feucht bleiben – vor Freude.
Das Herzstück des Antriebs, ein sogenanntes Kronenrad-Mittendifferenzial, verteilt die Momente zwischen Vorder- und Hinterachse im Normalfall im Verhältnis 40 zu 60 Prozent. Im Bedarfsfall können jedoch ohne Umschweife bis zu 70 Prozent der Kräfte nach vorn und maximal 85 Prozent nach hinten dirigiert werden.
Das Sport-Diff arbeitet mit einer radselektiven Momentensteuerung zusammen, die Zugriff auf alle vier Antriebsräder hat. Wird also ein kurveninneres Rad bei dynamischer Gangart zu stark entlastet, wird es automatisch sanft abgebremst – und zwar noch bevor der Schlupf auftritt.
Die ideale Ergänzung dazu, das optionale Sportdifferenzial an der Hinterachse, ist zudem in der Lage, die Kräfte über zwei Überlagerungsstufen aktiv zwischen den beiden hinteren Antriebsrädern zu verteilen. Beim Anlenken und gleichzeitiger Beschleunigung im Kurvenausgang wird die Kraft auf das kurvenäußere Rad gelenkt. Was im Ergebnis dazu führt, dass der Allradler nicht nur in die Kurve hineingedrückt, sondern zugleich auch die Neigung zum Über- und Untersteuern minimiert wird.
Das beim Audi RS5 serienmäßige Fahrdynamik-System „Audi drive select“, mit dem sich die Kennlinien der Lenkung, die des Doppelkupplungsgetriebes, der Drosselklappen sowie die Abgas-Soundklappen in den Modi „comfort“, „auto“ und „dynamic“ variieren lassen, ist die Basis weiterer Aufrüstungs-Optionen: Mit der strafferen, dreistufig einstellbaren Dämpfercharakteristik des Sportfahrwerks und der gleichfalls optionalen Dynamiklenkung, die mit ihrem Überlagerungsgetriebe die Lenkübersetzung je nach Tempo um bis zu 100 Prozent variiert, lassen sich die sportlichen Anlagen des Audi RS5 Stück für Stück weiterentwickeln.
Unter acht Minuten um die Nordschleife
Die um glatt eine Sekunde verbesserte Rundenzeit in Hockenheim – 1.14,3 Minuten – und der höchst talentierte Auftritt auf der Nordschleife – Supertest-Rundenzeit von 7.59 Minuten – beweisen es.
Ob der beschriebene Aufwand vor dem Hintergrund der Kosten gerechtfertigt ist, hängt schlicht vom Grad der Sympathie ab, die man diesem optisch durchaus was hermachenden, aber zurückhaltend-sympathisch auftretenden Coupé entgegenbringt.
Der Eindruck, es mit einem echten Sportwagen und nicht mit einer bloßen Kopfgeburt aus der Marketingabteilung zu tun zu haben, verfestigt sich mit jedem gefahrenen Kilometer.
Die – trotz der Masse – hohe Agilität, die überzeugende und dauerhafte Verzögerungsleistung der leider erneut aufpreispflichtigen Keramik-Bremsanlage an der Vorderachse, das sportlich straffe und im Alltag dennoch überzeugende Sportfahrwerk und nicht zuletzt die sportlichen Weihen, die man auch durch das perfekte Cockpit-Arrangement erhält, lassen eine Zuneigung wachsen, die nicht alltäglich und vermutlich sogar von Dauer ist.
Denn: Schnell sein auch bei niedrigen Reibwerten, diese Gewissheit führt – gute Reifen vorausgesetzt – beim Fahrer des Audi RS5 Coupé zu der unerschütterlichen Erkenntnis, dass es die schnelle Runde auf der Nordschleife allein nicht sein kann, die dem Glücks-Gen zur dauerhaften Entfaltung verhilft.
Und sollten die fahrdynamischen Talente – seien es die in Längs- oder die in Querrichtung – dafür einmal nicht mehr ausreichen, dann kann der Blick unter die Motorhaube helfen, die Begeisterung neu zu wecken. Denn was dort arrangiert ist, findet man selbst im Genre der um ein Vielfaches teureren Supersportler nicht alle Tage.
Audi RS5-Fahren: Das ist – so könnte man es auch beschreiben – so ähnlich wie den Pelz innen tragen.
Audi RS5 Coupé | |
Grundpreis | 79.900 € |
Außenmaße | 4649 x 1860 x 1366 mm |
Kofferraumvolumen | 455 bis 829 l |
Hubraum / Motor | 4163 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 331 kW / 450 PS bei 8250 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
0-100 km/h | 4,4 s |
Verbrauch | 10,5 l/100 km |