Schon in den Kinderschuhen haben wir die Vorteile gut strukturierter und daher meist leicht durchschaubarer Systeme erkannt. Ob von Fischer, Märklin, Baufix oder Lego: Baukastensysteme erfreuen sich seit jeher großer Beliebtheit - erst recht in Zeiten, in denen ohne synergetische Allianzen der Stillstand scheinbar zwingend vorprogrammiert ist.
Logisch, dass Baukastensysteme aus dem Automobilumfeld heute nicht mehr wegzudenken sind. Mit ihnen lassen sich nicht nur die Herstellungskosten drastisch senken, sondern sie ermöglichen darüber hinaus eine vielfältige Ausweitung von Modellreihen, selbst unter völlig unterschiedlichen Labels.
MQB, MLB und MIB - was nach Volkswagen-Sprech für Modularer Querbaukasten, Längsbaukasten und Infotainment-Baukasten steht, wird woanders aus gutem Grund nicht ganz so groß an die Glocke gehängt. Aber selbst die schönen Töchter renommierter Marken sind gezwungen, das Rezept für sich zu reklamieren.
Über 30 AMG-Modelle im Angebot
Die sportliche Mercedes-Dependance AMG aus dem kleinen, schwäbischen Affalterbach leistet sich auf der Basis von mittlerweile 14 Baureihen aktuell nicht weniger als 32 unterschiedliche Modellvarianten. Dieser Ausbund an automobiler Schaffenskraft ist das Resultat eines kreativen Modellmixes, der - wie kann es anders sein - auf intelligenter Plattform-Strategie basiert und dem schönen Beispiel des Modellbaukastens geradezu virtuos folgt.
Allein die Vielfalt in der aktuellen AMG Mercedes C-Klasse zeigt eine beeindruckende Variabilität - wohlbemerkt innerhalb ein und desselben Themenkreises. Das Angebot umfasst Limousine, Coupé und T-Modell in den jeweiligen Basis-Versionen. Jedes dieser Modelle ist zusätzlich mit Performance Package erhältlich, einem Paket, das neben der Leistungssteigerung auch eine Hochleistungs-Bremsanlage mit roten Bremssätteln, ein spezielles Lenkrad in Leder/Microfaser sowie eine Abrisskante am Heck aus Karbon umfasst - außer natürlich beim T-Modell.
Das sportliche Topmodell der Baureihe auf Basis des Coupés, die Black-Series-Variante (Mercedes C63 AMG Coupé Black Series im Supertest), thront als Hero über allem - entsprechend hoch ist sein Preis: knapp 160.000 Euro. Es wäre doch gelacht, wenn da nicht Platz für eine weitere Variante geschaffen werden könnte. Mit dem Kürzel „Edition 507“ hat AMG auf dem Autosalon in Genf eine C-Version vorgestellt, die neben exklusiven Design- und Farbvarianten jene Accessoires und Technik-Features zusammenfasst, die bisher schon als Einzelposten in der AMG-Aufpreisliste vermerkt sind - und mit denen der Supertest-Kandidat C63 AMG bis auf wenige, fahrdynamisch irrelevante Ausnahmen samt und sonders ausgerüstet ist.
Mercedes C63 AMG mit 457 bis 517 PS
Die Aufspreizung der Angebotspalette funktioniert auch deshalb so gut, weil die Motoren grundsätzlich aus demselben Holz, sprich: Aluminium geschnitzt sind. Bei gleicher Struktur in den Grundfesten des Motorgehäuses variiert die Leistung je nach Modell zwischen 457 und maximal 517 PS.
Beim vorliegenden V8 vom Typ M 156 handelt es sich um die von AMG erstmals in Eigenregie entwickelte 90-Grad-Konstruktion mit 6208 Kubikzentimeter Hubraum, die 2006 in der E-Klasse (W 211) erstmals Premiere feierte.
Als reinrassiger Sportmotor ist der Sauger natürlich dem Hochdrehzahlkonzept verpflichtet. Das setzte sich einst markenübergreifend mit typischer Rennmotor-Attitüde durch, wird aber mittlerweile vom um sich greifenden Turbo-Trend etwas gedemütigt - auch im eigenen Haus.
AMG hat Biturbo- und Saugmotoren
In direkter Konkurrenz zum noch jungen AMG-Biturbo-Triebwerk, das nach außen hin unter demselben Kürzel - 63 - firmiert, bedient der Sauger die klassischen Sportmotor-Tugenden in der ihm ureigenen, nach wie vor begeisternden Art. Mit einem Bohrung mal Hub-Verhältnis von 102,2 mal 94,6 Millimeter, je zwei obenliegenden Nockenwellen mit variabler Steuerung und insgesamt 32 Ventilen - je zwei für den Einlass- und den Auslasstrakt - zeigt der klassische V8-Saugmotor neben dem bemerkenswerten Spektrum liebenswürdiger Charaktereigenschaften ein erstaunliches PS-Repertoire.
Die vier unterschiedlichen AMG-Leistungsstufen innerhalb der Mercedes C-Klassen-Baureihe sind aber nicht allein das Ergebnis elektronischer Einflussgrößen. Die Spezifikationen der Black-Series-Variante (517 PS) sowie der neuen, im Juni zur Auslieferung kommenden „Edition 507“ (mit folglich 507 PS) profitieren, genauso wie das Motorentuning im für Limousine, Coupé und T-Modell erhältlichen Performance Package, von einem Techniktransfer allererster Güte.
SLS-Technik für Limousine, Coupé und T-Modell
Die leichten Schmiedekolben mitsamt Pleuel sowie die gewichtsoptimierte Kurbelwelle entsprechen in ihren Spezifikationen exakt den Bauteilen, die auch im AMG-Supersportler SLS installiert sind.
Die damit verbundene Gewichtsersparnis von drei Kilogramm an bewegten Teilen im Zentrum des Motors hilft, die Massenträgheit zu reduzieren und der Drehfreude des großvolumigen Achtzylinder einen zusätzlichen Kick zu verleihen. Das schmucke, titan-grau lackierte Schaltsaugrohr ist ein unverkennbares Merkmal dieser stärkeren Motorvarianten. Die subjektiv noch etwas anregender empfundene, höhere Drehfreude der 487 und 517 PS starken Motorversionen gegenüber dem Basis-V8 mit 457 PS geht auch mit einer messbar besseren Fahrleistung des Mercedes C63 AMG einher.
Top-Modell ist beim Sprint benachteiligt
Allein der Sprint zwischen der 487- und der 517-PS-Version endet entgegen offensichtlicher PS-Logik nicht zwangsläufig zu Gunsten des nominell Stärkeren. Dessen breitere Reifen und vor allem die auf stärkeren Abtrieb beziehungsweise weniger Auftrieb ausgelegte Aerodynamik hindern die Black-Series-Version daran, auch in der Längsdynamik die Pace zu machen.
Während das Mercedes C63 AMG-Coupé mit dem Performance Package für den in der Praxis relevanteren Sprint bis 200 km/h im Supertest 13,7 Sekunden einfordert, veranschlagt der 517 PS starke Supersportler 13,9 Sekunden - aus eben genannten Gründen.
Die „Edition 507“ wird demnach diejenige sein, die in Längsrichtung das Sagen haben wird. Schließlich tritt sie sowohl in Sachen Aerodynamik als auch reifentechnisch mit etwa denselben Anlagen an wie das Performance Package-getunte Basis- Coupé - aber eben mit 20 PS Mehrleistung.
Mit den ab Werk aufgezogenen Conti SportContact 5P im 18-Zoll-Format zeigt sich das optisch vergleichsweise zivil konfektionierte Supertest-Coupé vorzüglich gerüstet, um sowohl im Alltag zu überzeugen als auch beim gelegentlichen Trackday nicht umgehend nach hinten durchgereicht zu werden. Der Abrollkomfort ist für sich betrachtet ordentlich, weil geräuscharm und geschmeidig. Allein die auf schlechter Wegstrecke als herzhaftstraff empfundene Feder/Dämpferabstimmung ist Indiz einer zuvorderst sportlichen Gesinnung.
Mit dem aufpreispflichtigen Sperrdifferenzial - 2.291 Euro - hat der dezent grau-silber lackierte Mercedes C63 AMG-Zweitürer sogar der künftigen „Edition 507“ etwas voraus. Die hat zwar das Driver´s Package serienmäßig an Bord, das neben der Teilnahme an einem Fahrtraining der AMG Driving Academy auch die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit auf 280 km/h beinhaltet - nicht aber die Differenzialsperre. Bei ihr steht sogar ein Performance- Fahrwerk in der Aufpreisliste, was auf eine serienmäßig komfortablere Abstimmung schließen lässt.
Supertest-Kandidat ist die schärfste Waffe
Um es auf den Punkt zu bringen: Abgesehen vom Black-Series-Modell repräsentiert das mit Performance- und Drivers Package sowie Hinterachs-Sperrdifferenzial aufgehübschte Coupé unter den C-Modellen die schärfste Waffe - zumindest in Hinsicht auf die Querdynamik. An Traktion herrscht mit dem zusätzlichen Sperrdifferenzial trotz des auf die Reifen einwirkenden, dumpfen V8-Schlags naturgemäß kein Mangel.
Dass unter Last im Kurvenausgang keine Kraft im Wheelspin des entlasteten Rads verloren geht, sondern konstruktiv in Vortrieb verarbeitet wird, ist schon deshalb ein doppelter Segen, als mit der Sperrwirkung keine negativen Verhaltensweisen offenkundig werden. Das ist nicht selbstverständlich.
Der Grenzbereich des immerhin 1.770 Kilogramm schweren Hecktrieblers ist so von großer Koalitionsbereitschaft geprägt: Plötzliches Ausbrechen - oder gar darüber hinaus eine Neigung zum Kontern - stehen nicht auf dem Fahrprogramm. Der Übergang von der Haftin die Gleitreibung - ein angesichts der Schnellkraft des V8 gern auftretendes Phänomen, geschieht auch und gerade bei ausgeschaltetem ESP bemerkenswert sanft - auch im umgekehrten Fall.
Die Balance ist also trotz des kompakten Auftritts nie ernsthaft gestört. Auch ohne viel Eingewöhnung fühlt sich jede Fahrernatur sofort geschmeidig und direkt ins Gesamtsystem integriert - ein seltener Fall von Wohlfühl-Faktor.
Dass im Umfeld des „kleinen“ V8-Coupés nichts groß und ausladend, dafür alles übersichtlich und kompakt erscheint, bringt ihm hohe und nachhaltige Sympathien ein. Nur in einem Fall ist es mit der Nachhaltigkeit nicht ganz so weit her wie erhofft. Trotz aller Bemühungen - siehe die im Performance Package für das Mercedes C63 AMG Coupé enthaltene Hochleistungs-Bremsanlage mit Verbundbremsscheiben an der Vorderachse - bleiben extreme Belastungen, wie sie beispielsweise auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim wegen der erforderlichen, harten Bremsmanöver und der Kürze der Geraden aufkommen, nicht ohne Folgen.
Bremsenkühlung ist nicht optimal
Das nach dem Härtetest vermutlich durch Belagauftrag hervorgerufenen Rubbeln schon bei leichtem Pedaldruck blieb beim Testwagen etwas zu lange erhalten, als dass es als vorübergehend und damit unmaßgeblich hätte abgehakt werden können. In Sachen Bremsenkühlung wären also noch ein paar Hausaufgaben zu machen. Immerhin aber ließ die Bremsleistung nicht nach. Auch auf der Nordschleife mit ihren längeren Phasen zur Bremsenabkühlung blieb die Hardware der Bremse ohne negativen Befund.
Die Bestätigung hierfür folgt beim Supertest auf der Messgeraden in Hockenheim: Für die sogenannte Warmbremse, bestehend aus zehn direkt hintereinander erfolgten Vollbremsungen aus 100 km/h, reklamierte das Mercedes C63 AMG Coupé für sich am Schluss der Übung eine Verzögerungsleistung von 10,9 m/s². Im kalten Zustand waren es geringfügig schlechtere 10,5 m/s².
Diese Differenz betrifft ausschließlich die Bremskomponenten selbst. Auf die Reifenkonstitution ist sie deshalb nicht zurückzuführen, weil die SportContact 5P von Conti - im Gegensatz zu den typischen Vertretern der Sportreifen-Fraktion - kein Aufwärmprogramm einfordern, um spontan maximale Verzögerungsleistungen zu ermöglichen. Letzteres kann auch als Metapher angesehen werden: Um sich für den Mercedes C63 AMG zu erwärmen, braucht es keine lange Anlaufzeit - besonders dann, wenn er mit Performance Package antreten darf. Der Spaß an Mercedes-typischer Solidität im Allgemeinen und an kompakt verpackter V8-Power im Besondern springt einen binnen weniger Sekunden förmlich an.
Mercedes C 63 AMG Coupé Performance-Package | |
Grundpreis | 80.123 € |
Außenmaße | 4707 x 1770 x 1391 mm |
Kofferraumvolumen | 450 l |
Hubraum / Motor | 6208 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 358 kW / 487 PS bei 6800 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 280 km/h |
0-100 km/h | 4,4 s |
Verbrauch | 12,0 l/100 km |