Morgens Nebel, so dicht wie Zuckerwatte, feuchter Asphalt - und spätnachmittags mit Glück eine schnelle Runde: Nordschleife im Herbst, das ist eine tiefe Hassliebe. Mit dem Mercedes-AMG A 45 muss auch der heutige Supertest-Prüfling zunächst geduldig in der Boxengasse ausharren.
A-Klasse: früher Rentnermobil, heute Racer
Zeit, die stärkste A-Klasse aller Zeiten genauer vorzustellen. Doch halt, eben ist schon das Stichwort "Hassliebe" gefallen. Ehrlich währt am längsten: A-Klasse, das war für mich bisher mehr Hass als Liebe. A-Klasse, das waren für mich bisher Gedanken an den misslungenen Elchtest, Klorolle samt Häkeldecke auf der Hutablage und 31-km/h-Fahrer in Tempo-50-Zonen. Der fahrende Hochsitz der ersten beiden A-Klasse-Baureihen (W168, W169) war so sportlich wie Birkenstock-Sandalen.
Fast vergessen, als die dritte Generation (W176) 2012 sich rund erneuert auf die Mission begab, dieses Image zu verändern. "A" sollte fortan für "Angriff", für "anders" stehen. Weg mit dem Rentner-70-plus-Image, "A" sollte fortan sexy und sportiv sein. Doch das sportliche Kompaktmodell A 250 Sport, das in sport auto 11/2012 zum ersten Test antrat, legte mit flammendem Bremsfading und Verzögerungswerten von 39,4 Metern aus 100 km/h gleich mal einen lupenreinen Fehlstart hin. Leute, das untermauerte aus meiner Sicht die Birkenstock-Vorurteile, und fortan drückte sich Tester Gebhardt erfolgreich um jeden erdenklichen Meter A-Klasse.
Vielleicht doch etwas zu voreilig? In Affalterbach hatte sich nämlich die AMG-Mannschaft nicht mehr nur großvolumiger Aggregate angenommen, sondern den "weltweit stärksten in Serie produzierten Vierzylindermotor" in die A-Klasse verpflanzt. Ab 2013 rockte der Mercedes A 45 AMG mit 360 PS starkem Zweiliter-Turbo und Allradantrieb. So richtig traute ich dem Braten noch nicht, und es gingen alle seitdem in der Redaktion befindlichen A-45-Testwagen an mir vorüber.
Mercedes-AMG A 45 im Supertest auf der Nordschleife
Race-Modus aktivieren, ESP off - umso unerwarteter die Fahreindrücke, als sich der Mercedes-AMG A 45 im Supertest auf die ersten Nordschleifen-Meter stürzt, nachdem sich der Nebel nach mehrstündiger Warterei endlich verzogen hat und die Piste abgetrocknet ist. Willkommen im Facelift oder der im Mercedes-Duktus so genannten Mopf (Modellpflege) des AMG-Kompaktsportlers. Aus Mercedes A 45 AMG wurde Mercedes-AMG A 45 - mehr als die geringfügige Namensänderung fallen die Modifikationen ins Gewicht.
Nachdem die Power-A-Klasse ihren Titel "Leistungsstärkstes Serienkompaktmodell" kurzfristig dem neuen Audi RS 3 Sportback (367 PS) überlassen musste, erobert sich der Mercedes-AMG A 45 jetzt schon einmal auf dem Papier den Thron zurück.
Dank des neu abgestimmten Ventiltriebs klettert die Literleistung von 181 PS auf 191 PS, und die Nennleistung des intern M 133 DE 20 AL genannten Vierzylinder-Turbos liegt nun bei 381 PS. Das maximale Drehmoment steigt um 25 auf 475 Newtonmeter. Klingt alles moderat und fühlt sich im Drehzahlkeller zunächst auch etwas zurückhaltend an. Da gibt es andere, die in diesen Regionen noch mehr pushen. Doch wehe, es ist erst einmal Drehzahl im Spiel und der Mercedes-AMG A 45 hetzt im Supertest seinem Drehzahllimit bei 6.700/min entgegen, um dann den nächsten Gang frenetisch durch die optionale AMG-Performance-Abgasanlage böllernd rauszuhauen. Diese A-Klasse will so gar nicht A-Klasse sein, herrlich!
Bis 200 km/h 7 Zehntel schneller als der Vorgänger
Gerade jetzt, als der A 45 mit 243 km/h unter Volllast über die Kuppe vor dem Schwedenkreuz fetzt, wird klar, dass er auch längsdynamisch einen Schritt nach vorne gemacht hat. Sein 360 PS starker Vorgänger war hier rund 5 km/h langsamer. Noch größer fällt der Geschwindigkeitsunterschied später auf der Döttinger Höhe mit 249 km/h (Vorgänger: 242 km/h) aus. Zahlenfans haben längst auch die Elastizitäts- und Beschleunigungswerte abgeglichen. Der "gemopfte" A 45 zoomt sich in 4,2 Sekunden vier Zehntelsekunden schneller auf 100 km/h. Bis Tempo 200 hat er seine Wabengrill-Schnauze um sieben Zehntelsekunden vor seinem A-45-Supertest-Vorgänger (siehe sport auto 3/2014).
Nicht nur die Leistungssteigerung ist für das verbesserte Sprint- und Durchzugsvermögen des kompakten Power-Benz verantwortlich. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe übersetzten die AMG-Entwickler in den Fahrstufen drei bis sieben kürzer (Übersetzung bisher: III. Gang 2,67; IV. 1,05; V. 0,78; VI. 1,05, VII. 0,84, aktuell: III. 2,90; IV. 1,19, V. 0,87; VI. 1,16; VII. 0,94).
Softwareseitig wurden außerdem die Schaltzeiten sowie die Launch-Control-Funktion optimiert. Egal ob im Automatik- oder im manuellen Modus, auf der Rennstrecke schaltet das Getriebe bei Erreichen der Drehzahlgrenze flink hoch. Die Zeiten, als AMG-Getriebe auf den manuellen Hochschaltbefehl der Schaltwippe kurz vor dem Begrenzer mit einer missmutigen Nachdenksekunde reagiert haben, sind endgültig Geschichte.
Genauso, wie die Entwickler der Getriebe-Software den spätestmöglichen Zeitpunkt des Hochschaltvorgangs getaktet haben, sollten sie allerdings auch in die andere Richtung programmieren. Soll heißen: Beim Runterschalten während des Anbremsens einer Kurve im Grenzbereich auf der Rennstrecke dürfte das Getriebe den Schaltimpuls ruhig etwas früher auslösen. Derzeit nimmt das Getriebe beim Anbremsen und gleichzeitigen Runterschalten die Gänge nicht immer an und ein wiederholter Zug an der Schaltwippe wird nötig, sobald die Drehzahl während des Anbremsvorgangs weiter abgefallen ist. Hier dürfte sich der Bauteilschutz des A-45-Getriebes ein Beispiel an der Programmierung des Getriebes des Sportlers AMG GT nehmen, der den dynamischen Runterschaltvorgang problemlos erkennt. Im GT wird dann kein vermeintlicher Überdreher vermutet und anschließend der Schaltvorgang verweigert.

A 45 jetzt mit Sperre und Semis
Peanuts, die sich "wegprogrammieren" lassen könnten. Bitte ins nächste Lastenheft mit aufnehmen. Halten wir uns nicht mit Kleinigkeiten auf und genießen lieber, wie der Mercedes-AMG A 45 seine Vormachtstellung in der sportlichen Kompaktklasse auf der Nordschleife untermauert. Punktgenau anbremsen, präzise einlenken und unter Last mit satter Traktion herausbeschleunigen - der modellgepflegte "Fünfundvierziger" glänzt mit weitgehend neutralem und einfach beherrschbarem Fahrverhalten am Limit.
Gegen kritische Lastwechselreaktionen ist er immun. Mit etwas höherem Luftdruck an der Hinterachse als vorne kann der Mercedes-AMG A 45 im Test aber zu ganz leichten und im Kurvenverlauf produktiv mitwirkenden Heckschwenks überredet werden.
Für die geschärfte Querdynamik ist unter anderem das neue, wenn auch optionale AMG-Dynamic-Plus-Paket verantwortlich. 2.618 Euro Aufpreis, die sich aber für "Touri-Fahrer am Ring" oder Trackday-Fans definitiv lohnen. Neben dem neu entwickelten mechanischen Vorderachssperrdifferenzial beinhaltet das Optionspaket außerdem das AMG-Ride-Control-Sportfahrwerk. Neu: die zweistufig verstellbare Adaptivdämpfung. Entweder passt das System die Dämpfkraft je nach Fahrzustand automatisch an oder der Fahrer kann per Tastendruck ein strafferes Set-up wählen. Für den Ring empfiehlt sich Letzteres. Auch in der härteren Dämpferabstimmung springt der A 45 nicht, sondern federt gut gedämpft über die Nordschleifen-Bodenwellen.
Bei Aktivierung der Dämpfertaste straffen sich auch die Lenkkräfte der Sportparameterlenkung mit konstanter Übersetzung von 14,5 : 1. Die Lenkkräfte sind angenehm sportlich-straff, um die Mittellage hätte die Rückmeldung jedoch gerne noch einen Schuss kerniger ausfallen dürfen - beispielsweise wie im AMG GT. Ja, auf der Rennstrecke bin ich ein Fan seiner eher spitzen Lenkung. Endlich hat da mal jemand etwas bewiesen, was mir sonst bei Mercedes meist gefehlt hat: Mut!

5.831 Euro Aufpreis für 19-Zoll-Schmiederäder
Trotz seines nicht gerade idealen Gewichts, ach was, Übergewichts, von 1.574 Kilo (VW Golf R: 1.483 Kilo) und der, sagen wir mal freundlich, "suboptimalen" Gewichtsverteilung von kopflastigen 62,1 zu 37,9 Prozent wuchtet der Mercedes-AMG A 45 im Test seinen Body mit erstaunlich geringen Karosseriebewegungen ums Eck. Da haben die AMG-Fahrwerks- und Reifenentwickler ganze Arbeit geleistet. Die Mercedes-Sportabteilung kann jedoch für die überflüssigen Pfunde nicht verantwortlich gemacht werden, sondern die Serienentwicklung, die bereits den Grundstein für den mittelmäßigen Body-Mass-Index gelegt hat.
Ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin wiegt der aktuelle A-45-Proband elf Kilo weniger als sein 360 PS starker Supertest-Vorgänger. Rund zehn Kilo der Gewichtseinsparung gehen auf das Konto der 19-Zoll-Schmiederäder aus der Individualisierungsabteilung AMG Performance Studio.
Bitte festhalten: Für den schmucken Radsatz werden satte 5.831 Euro Aufpreis fällig. So kann sich der AMG-Nachwuchs schon einmal gedanklich darauf vorbereiten, was ihn in seiner weiteren automobilen Karriere erwartet, sofern er der Truppe aus Affalterbach die Treue schwört. Aber es ist ja nicht so, dass es nichts dafür gäbe. Der mattschwarze Performance-Radsatz trägt schließlich nicht irgendeinen schnöden Reifen, sondern Schlappen vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2. Die Kombination aus griffigen Cup-Reifen und einer standfesten Bremsanlage mit sehr guter ABS-Abstimmung katapultiert die heiße A-Klasse in eine andere Liga: Mit 32,6 Metern aus 100 km/h bremst der Mercedes-AMG A 45 besser als der neue Porsche 911 Carrera S und der Mercedes-AMG GT. Respekt!
Daumen hoch, Mercedes-AMG A 45 4Matic!
Vor allem in engen Ecken und anschließenden Bergaufpassagen wie am Streckenabschnitt Ex-Mühle passt das hohe Gripniveau der Michelin-Pneus perfekt zur Fahrwerksabstimmung und zum traktionsfördernden Allradantrieb. Während man den Mercedes-AMG A 45 hier ums Eck prügelt, stellt sich die Frage, warum es eigentlich keinen A-45-Markenpokal innerhalb der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf der Nordschleife gibt. Die Frage verfestigt sich, als der kleine Power-Benz über den Zielstrich am Streckenabschnitt T13 krajohlt.
8.04 Minuten vermeldet das GPS-Messgerät. "Net schlecht für die Bedingungen heute", sagen die anwesenden AMGler. Für alle Nichtschwaben: "Net schlecht" entspricht im übrigen Bundesgebiet einem jubelnden Lob. Und das hat sich diese A-Klasse, die schneller über den Ring gehetzt ist als der noch aktuelle Porsche Cayman S, wahrlich verdient. Daumen hoch, Mercedes-AMG A 45 4Matic!
Mercedes AMG A 45 Kompaktlimousine 4Matic+ Mercedes-AMG | |
Grundpreis | 51.527 € |
Außenmaße | 4359 x 1780 x 1417 mm |
Kofferraumvolumen | 341 bis 1157 l |
Hubraum / Motor | 1991 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 280 kW / 381 PS bei 6000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
0-100 km/h | 4,2 s |
Verbrauch | 6,9 l/100 km |