Den Maserati Gran Turismo MC Stradale bewusst ins stehende, kalte Wasser zu treiben, entsprang keiner gemeinen Bösartigkeit. Schließlich gehören die Nasshandling-Versuche auf dem Dunlop-Testparcours in der Eifelstadt Wittlich unweit des Nürburgrings schon seit geraumer Zeit zum Pflichtprogramm des Supertests. Überdies sollte man meinen, dass ein Maserati schon insofern nicht wasserscheu sein kann, als das „Tridente“ des römischen Wassergotts Neptun - der markante Dreizack -, seit jeher das Markenzeichen der bereits 1914 als Rennstall gegründeten Sportwagenschmiede Maserati ist. Er ist dem Neptun-Brunnen in Bologna entlehnt.
Neptun hilft dem Maserati nicht bei Nässe
Die gute Beziehung zu Neptun hat dem Maserati Gran Turismo MC Stradale indes wenig genutzt. Seine fahrdynamischen Kunstfertigkeiten sind bei Nässe eher unterdurchschnittlich, zumindest dann, wenn es um das Ausreizen höherer Tempi geht. Das zeitlich mäßige Ergebnis auf dem bewässerten Rundkurs war aber - seien wir ehrlich - mit Blick auf die Semislicks von Pirelli (P Zero Corsa) auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Es hätte angesichts der stark auf Trockengrip spezialisierten und daher angesichts von Aquaplaning-Gefahr mit großer Vorsicht zu genießenden Sportreifen noch viel schlimmer kommen können. Denn bei allem Phlegma Nässe tendenziell lieber durch die Kurve, als dass der Maserati Gran Turismo MC Stradale sein Heck rauslässt. Angesichts des zivilisierten Wasserdurchmarschs könnte man fast meinen, Meeresgott Neptun hätte sich dafür im Trockenen trickreich revanchiert. Wer es mit dem knapp fünf Meter langen und über 1,9 Meter breiten - sprich: sehr üppig dimensionierten Sportcoupé artgerecht fliegen lässt, kann sich des Eindrucks leider nicht erwehren: Die Art der Wank- und Rollbewegungen mutet im Extremfall fast so an, als sei Neptuns Medium - und nicht trockener Asphalt - das tragende Element unter den hübschen, matt graphitfarbenen Rädern.
Diese zugegeben überzeichnete Interpretation des Feder/Dämpfer-Verhaltens ist das Ergebnis einer, wie es scheint, inneren Zerrissenheit der zuständigen Projektleiter. Sie mochten offenbar trotz der sportlichen Profilierung nahezu aller relevanten Komponenten ihrer ins Auge gefassten Klientel in puncto Komfort keine Kompromisse abverlangen. Die gegenüber dem Basismodell Gran Turismo dickeren Stabilisatoren und geänderten Feder/Dämpfer-Kennlinien sind in ihrer Wirkung jedenfalls dergestalt, dass sie selbst vorgeschädigten Bandscheiben keinen weiteren Schaden zufügen können. Anders ausgedrückt: Die Fahrwerksabstimmung ist vergleichsweise weich, die Rollneigung stark und die Seitenneigung der Karosserie in Kurven entsprechend beträchtlich.
Der komfortverwöhnten Kundschaft macht es der Maserati Gran Turismo MC Stradale damit tatsächlich leicht, den Umstieg ins Sportmodell zu wagen, zumal das beschriebene Fahrverhalten sich im alltäglichen Gebrauch und bei entsprechend niedrigem Fahrdynamik-Level nur selten, und wenn, dann allenfalls ansatzweise zeigt. Die Nordschleife mit ihren besonderen topografischen Gesetzmäßigkeiten legt beim Supertest die merkwürdigen Karosseriebwegungen jedoch in einer Weise offen, die anfangs zum Zähne-aufeinander-beißen anregt und nach etwas Eingewöhnung von fatalistischem Schulterzucken begleitet wird. Denn: Erschreckend im Sinne von bösartig oder gar gefährlich ist das aus weichen Federn, schwacher Druck- und noch schwächerer Zugstufendämpfung resultierende Verhalten nicht.
Nordschleifen-Rundenzeit von 8.14 Minuten
Auf der anderen Seite weckt es beim Fahrer auch nicht unbedingt den Ehrgeiz, mit dem vom Rennsport optisch stark beseelten Maserati Gran Turismo MC Stradale auf Topzeiten-Jagd zu gehen. Die Nordschleifen-Rundenzeit von 8.14 Minuten im Supertest ist zwar für sich betrachtet nicht schlecht. Sie passt aber nicht zum Selbstverständnis dieses so sichtbar mit allen sportlichen Wassern gewaschenen italienischen Sportcoupés.
Auch angesichts der hervorragenden Rennschalen mit Vierpunktgurten, des Überrollbügels, der Alu-Pedalerie, des Aerodynamik-Pakets, diversen Karbon-Applikationen und Verkleidungen, des Feuerlöschers und last but not least der Dekorstreifen und der roten Bremssättel mitsamt Keramikscheiben wäre es sicher nicht abwegig, dem Maserati Gran Turismo MC Stradale sozusagen unbesehen eine Zeit von unter acht Minuten zuzubilligen. Unsere Prognose: mit passendem Setup kein Problem.
Auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim sind die Konsequenzen der nicht optimalen Abstimmungsarbeit weniger auffällig. Die auf der Berg-und-Tal-Bahn Nordschleife erzwungenen starken Vertikalbewegungen werden von dieser Strecke nicht angeregt, weshalb die Reise am Grenzbereich hier vergleichsweise konventionelle Züge annimmt. Abgesehen von der bereits erwähnten starken Seitenneigung der Karosserie bei Kurvenfahrt sind es die bekannten Fahrdynamik-Muster, die im Maserati Gran Turismo MC Stradale bei der Suche nach guten Rundenzeiten abwechselnd die Herausforderungen darstellen.
Mit anfangs sachtem Untersteuern wiegt der auf zwei Sitze reduzierte Sportwagen den Fahrer zunächst in großer Sicherheit, um dann, wenn die Seitenführung der Reifen wegen starker Erhitzung nachlässt, mit drängendem Heck vorstellig zu werden. Angesichts des Drucks, der vom Motor in den höheren Drehzahlbereichen ausgeht, eine völlig normale Reaktion.
Hockenheim-Rundenzeit von 1.13,0 Minuten
Die Hockenheim-Rundenzeit von 1.13,0 Minuten, die der Maserati GranTurismo MC Stradale anlässlich eines ersten Testumlaufs realisierte, erreichte derselbe Testwagen im zweiten Anlauf nicht. Der Aufschlag von 0,7 Sekunden dürfte aber primär der extrem hohen Außentemperatur (31 Grad Celsius) und entsprechend heißem Geläuf (50 Grad Asphalttemperatur) am Testtag geschuldet sein. Dem Tribut an die Sonne kann sich ungeachtet seiner südeuropäischen Herkunft auch ein 450 PS starker Maserati nicht entziehen, zumal er mit 1.850 Kilogramm Lebendgewicht nicht eben zu den leichtesten Vertretern der Zunft zählt. Konditionsmäßig ist diese Gewichtsklasse bei Hitze zwangsläufig noch mehr gehandicapt.
Die Nervosität bei extrem starken Bremsmanövern, wie sie etwa ausgangs der Querspange des Kleinen Kurses in Hockenheim notwenig werden, dürfte eine Mischung aus dem starkem Nickmoment der Karosserie bei gleichzeitigen Eingriffen des ABS sein, wenn die Federn vorne auf Block gehen. Jedenfalls bleibt der Maserati Gran Turismo MC Stradale im Zustand höchster Verzögerung - bei warmer Bremse immerhin bis zu 11,2 m/s² - nicht so stur in der Spur, wie man es von einem mit solcher Länge gesegneten Frontmotor-Sportwagen erwarten würde.
Die sichtbar gut konditionierte Bremsanlage ist eine Kombination aus üppig dimensionierten Keramikscheiben und wuchtigen Sechs- beziehungsweise Vierkolbensätteln. Sie kommt ihren Aufgaben insgesamt zufriedenstellend nach, wobei auch sie im Extremfall nicht ganz frei von Belastungs-Phänomenen ist. Immerhin löste sich das bei der Übernahme festgestellte, leichte Rubbeln bei sachtem Bremsdruck nach der gewohnt harten Gangart im Supertest in Wohlgefallen auf. Festgebackener Bremsabrieb scheint hier die Ursache gewesen zu sein. Auch der nach starken Bremsmanövern stets etwas weicher werdende Druckpunkt am Pedal erholte sich nach der Abkühlphase wieder.
Italienischer Sportwagen für 170.000 Euro
Dass im Umfeld dieser teuren, aufwändig konfigurierten Anlage die rote Lackierung der Bremssättel Aufpreis kostet - 590 Euro -, ist, gemessen am Gesamtpreis des Maserati Gran Turismo MC Stradale (170.530 Euro inklusive aller Gimmiks), ein eher belustigender Aspekt.
Kommen wir zum Motor, der sich imagemäßig damit schmücken darf, ein von Ferrari beigesteuertes Juwel zu sein. Der mit knapp 4,7 Liter Hubraum antretende Kurzhuber weist einen klassischen Zylinderwinkel von 90 Grad auf, verfügt über je zwei obenliegende Nockenwellen mit variabler Steuerung und selbstverständlich vier Ventilen pro Zylinder. Er ist tief unten im Motorraum des Maserati Gran Turismo MC Stradale zu Füßen der Besatzung platziert. Das von ihm erzeugte sinnliche Erlebnis macht ihn zwingend zum Lieblingsobjekt für jeden Petrolhead, zumindest für jene mit Vorliebe für akustische V8-Dramaturgie mit italienischem Einschlag.
Nur schlechte Menschen würden behaupten, er wäre laut. Kinder halten sich in seinem Gravitationsfeld zwar auch die Ohren zu, grinsen dabei aber wie beim Anblick einer Geburtstagstorte. Zugegeben: Besonders beim Kaltstart, also im Zustand offener Auspuffklappen, entweicht der Abgasanlage eine Klangwolke von ausgesprochen großer Ausdehnung. Der Maserati Gran Turismo MC Stradale schafft in der Nachbarschaft klare Verhältnisse: Dort, wo die Fenster geöffnet werden, sitzen die Symphatisanten beziehungsweise die Sound-Gourmets. Da, wo sie geschlossen werden - na ja, lassen wir das.
GT MC Stradale ist keine Rennmaschine
Schade, dass der scharfe Rennsportsound etwas zuviel verspricht, ebenso wie die gleichfalls begeisternde Linienführung mit ihren eindeutig rennsportlichen Accessoires: Als echte Rennmaschine mit Anlagen zum Aufstellen der Nackenhaare geht der Maserati Gran Turismo MC Stradale nicht durch. In 4,8 Sekunden zoomen sich auch weniger sportlich gekleidete Wettbewerber auf Tempo 100. Ebenso sind die 15,8 Sekunden bis zum Erreichen der 200-km/h-Marke, gemessen am motorischen Leistungsvermögen, keine Offenbarung.
Neben der großen Masse, die es beim Maserati Gran Turismo MC Stradale zu bewegen gilt, ist es die Übersetzung des Getriebes, oder besser: der Hinterachse, die einen dämpfenden Einfluss auf die von Haus aus fraglos aggressiven Pferdestärken nimmt. Um auf Höchstgeschwindigkeit - laut Werksangabe 301 km/h - zu kommen, bedarf es eines kilometerlangen, freien Auslaufes, der sich bei der heute üblichen Verkehrsdichte allenfalls noch zu nächtlicher Unzeit anbietet.
Das Getriebe selbst macht seine Sache im Maserati Gran Turismo MC Stradale erstaunlich gut. Überraschend deshalb, weil es sich um ein konventionelles, automatisiertes Sechsganggetriebe handelt, also eine Konstruktion jener aussterbenden Sorte, die sich in Sachen Geschmeidigkeit der Gangwechsel mittlerweile schwer tut, gegen moderne Doppelkupplungsgetriebe zu bestehen. Denn sie haben einen Vorteil: Sie sind bauartbedingt leichter und kosten weniger Kraft aufgrund geringerer innerer Reibung. Aber werden wir nicht kleinlich: Bei einem Durchschnittsverbrauch im Supertest von 20 Liter Superkraftstoff sind ein paar Prozente Einsparungspotenzial sicher nicht die Rede wert.
Aber auch routinierte Virtuosen auf dem Kupplungspedal und am Schaltstock werden sich in diesem Umfeld kaum beklagen, den automatisierten Schaltmodi den Vorzug geben zu müssen. Die Gangwechsel gehen ebenso schnell wie geschliffen vonstatten, inklusive launiger Zwischengas-Fanfaren beim Herunterschalten. Will sagen: Das Spiel mit den hinter dem Lenkrad feststehenden Schaltpaddeln hat hohen Unterhaltungswert.
Reinsetzen und sich wohlfühlen
Der alte Slogan, „Reinsetzen und sich wohlfühlen“ wird beim Maserati Gran Turismo MC Stradale darüber hinaus von einer Innenarchitektur typisch italienischer Abstammung gestützt. Blaues Alcantara beherrscht die Szenerie. Die Vielzahl von sauber verarbeiteten Karbon-Applikationen steht für Rennsport-Nähe, ebenso wie das ausgeräumte Fond-Abteil und der Überrollbügel. Das Anlegen der Vierpunktgurte ist zwar etwas umständlich, kann in seiner zwangsläufig bedächtigeren Abfolge aber auch als Einverständnis mit den Normen des Rennsports verstanden werden - nach dem Motto: Einfach nur reinsetzen und losbrettern - das machen nur Flegel.
Maserati GranTurismo MC Stradale | |
Grundpreis | 152.800 € |
Außenmaße | 4933 x 1915 x 1343 mm |
Kofferraumvolumen | 260 l |
Hubraum / Motor | 4691 cm³ / 8-Zylinder |
Leistung | 338 kW / 460 PS bei 7000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 303 km/h |
0-100 km/h | 4,8 s |
Verbrauch | 14,4 l/100 km |