AC Schnitzer Tension im Supertest auf Nordschleife und Hockenheimring

AC Schnitzer Tension im Supertest
Der entfesselte BMW M6 in Aktion

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Das Wort Spannung (engl.: tension) beschreibt nicht nur eine physikalische Kraft im Innern eines elastischen Körpers, sondern steht bekanntlich auch für ein elektrisches in Volt gemessenes Phänomen. Spannend wird es, wenn man sich den Begriff vom Psychologen erklären lässt: Der versteht darunter nämlich eine "erregte Erwartung angesichts eines vorgestellten, besonders erwünschten oder auch befürchteten Handlungsausgangs." Den englischen Begriff für ein neues, ganz offensichtlich spannungsgeladenes Sportmodell zu verwenden, ist in Kenntnis der Hintergründe schon deshalb originell, weil er gleich in mehrfacher Hinsicht in Beziehung zum Objekt gesetzt werden kann. Vor dem psychologischen Hintergrund wäre es sicher interessant zu wissen, ob die Initiatoren des Projekts in erregter Erwartung angesichts der hier abgehandelten Thematik sind. Und wenn dies der Fall sein sollte, ob sich ihre empfundene Spannung aus einem besonders erwünschten oder befürchteten Handlungsausgang speist.

So ganz abwegig wäre letztere Möglichkeit wohl nicht. Denn in Kenntnis des mittlerweile anerkannt hohen qualitativen Status von Seriensportwagen tut sich die Veredelungs-Branche zuweilen doch etwas schwer, der reizenden Großserien-Offerte nach der Tuning-Kür ein noch eindrucksvolleres und überzeugenderes Angebot entgegenzusetzen. Wer AC Schnitzer und die Produkte des renommierten BMW-Veredlers kennt, wird sich um die Selbstsicherheit der beteiligten Personen allerdings wenig Sorgen machen. Bislang ist es den Aachenern nahezu immer gelungen, die Besonderheiten der verschiedenen BMW-Produkte durch gekonnte Modifikationen an Motor, Karosserie und Fahrwerk noch eine Spur markanter herauszuarbeiten.

Besonderheiten werden herausgearbeitet

Um sich des stärksten Coupés der M GmbH anzunehmen, bedarf es allerdings schon der Chuzpe ausgewiesener Fatalisten, denn bekanntlich wird die Luft oberhalb des M6 doch äußerst dünn. Schließlich hält das aktuell immerhin 112.332 Euro teure Sportcoupé mit seinen 507 PS aus dem hoch drehenden Fünfliter-Zehnzylinder schon serienmäßig ein atemberaubendes Leistungsangebot parat, das bei voller Nutzung mit den Gesetzmäßigkeiten der öffentlichen Straße kaum mehr in Einklang zu bringen ist.

Im Fazit des Supertests in Ausgabe 12/2005 hieß es: "Man möchte eigentlich nicht mehr aussteigen. Selbst auf der Rennstrecke, dem Refugium, in dem Sportwagen erst ihre wahre Seele offenbaren, fügt sich der M6 in professioneller Manier gehorsam den Zwängen, die ihm als sportliches Spitzenprodukt auferlegt werden." Die Initiative seitens AC Schnitzer gründet daher prinzipiell weniger auf der Hoffnung, eine nahmhafte Anzahl hochgerüsteter Tension auf die Straße zu bringen – obwohl optisch und technisch ähnlich konfigurierte Versionen auf Basis sämtlicher 6er -Modelle im Angebot sind –, als vielmehr auf der im eigenen Haus selbst formulierten Notwendigkeit, der Szene mit Solitären dieser Art in regelmäßigen Abständen zu beweisen, was durch gekonnte Nachbehandlung noch an zusätzlicher Brillanz herausgearbeitet werden kann. Besonders interessant wird es, wenn, wie im Fall des Serien-M6, doch noch unerschlossene Ressourcen sichtbar werden.

Es bleibt manches nicht mehr so, wie es war

Auch wenn die M GmbH etwas verspätet einer "Freischaltung" der Höchstgeschwindigkeit von zunächst 250 auf 305 km/h zustimmte – das Ende der Fahnenstange ist auch damit, wie wir später sehen werden, noch nicht erreicht. Dass AC Schnitzer bei der Kur keineswegs ans Eingemachte gehen musste, die hochkarätige Mechanik im Innern des 90-Grad-V-Motors also völlig unangetastet blieb, hat die Sache stark vereinfacht. In seinem direkten Umfeld, sowohl auf der Einlass- als auch auf der Auslassseite, blieb dagegen nichts mehr so, wie es war.

Die Optimierung des Motormanagements und der Einsatz einer nagelneuen Fächerkrümmer-Anlage mit Spezial-Katalysator und Sportschalldämpfer entlocken dem ausgewiesenen Kurzhuber (75,2 Millimeter) eine nochmals gesteigerte Drehfreude. Diese ist nicht nur subjektiv zu registrieren, sondern schlägt sich in der Leistungskurve auch objektiv nieder: Ihr Zenit liegt nunmehr bei 8.000/min. Beim Serienmotor ist das Maximium bei 7.750/min erreicht. Aus den vormals 507 Pferdestärken entstanden damit deren 552. Zudem stieg das Drehmoment – allerdings bei leicht erhöhter Drehzahl (6.200/min gegenüber 6.100/min) auf 540 Newtonmeter an (Serie: 520 Nm).

Mehr Drehfreude - Mehr Drehmoment

Dass die nominell erhöhten Leistungswerte sich nicht wie erwartet oder erwünscht umgehend in gesteigertem Temperament ausdrücken, hängt vermutlich mit anderen Faktoren zusammen, die bekanntlich einen ähnlichen Einfluss auf die Ergebnisse nehmen wie die Motorleistung selbst. An erster Stelle sei das Gesamtgewicht des Fahrzeugs genannt, das im Fall des Tension das des Basismodells nicht wie erwartet unter-, sondern um 36 Kilogramm überschreitet – 1.797 Kilogramm stehen 1.761 Kilogramm beim Serienmodell gegenüber. Und das trotz so aufwendig verarbeiteter Karosserieteile wie etwa der Motorhaube aus federleichtem Karbonmaterial. Auf weitere Abspeckmaßnahmen, beispielsweise bei den Türen oder bei der hinteren Sitzanlage, wurde offenbar wegen der Gefahr weiterer Kostenexplosionen verzichtet.

Als maßgebliche Ursache, dass der Tension die Vorgabe sowohl in der Beschleunigung als auch im Durchzug nicht erreicht, dürften in erster Linie die großen 20-Zoll-Rädern verantwortlich sein. Diese sind mit je 10,6 Kilogramm für sich genommen zwar nicht schwerer als die 19-Zoll-Serienräder (11,0 Kilogramm vorne und 11,2 Kilogramm hinten), sorgen aber im Verbund mit den aufgezogenen Dunlop-Sportreifen für einen deutlich größeren Abrollumfang.

325 km/h sind mit dem Tension immer drin

Bei grundsätzlich gleicher Getriebeabstufung und Hinterachsübersetzung führt das zu einer längeren Übersetzung – womit die leicht reduzierten Sprinterqualitäten schlüssig erklärt wären. Im Spurt bis 100 km/h sind es 0,4 Sekunden, bis 200 km/h 0,8 Sekunden, die der Tension gegenüber dem im Supertest gefahrenen M6 verliert. Aber was kratzt ihn diese Schmach, wenn er als Topligist des Vmax-Genres so atemberaubende Tempi hinlegt, dass es einem angesichts des immensen Drucks auch ab 200 km/h fast die Sprache verschlägt – sofern ihm großzügig Raum dafür geboten wird. Die im süditalienischen Nardo erreichte Höchstgeschwindigkeit von 332 km/h wird sich auf deutschen Autobahnen möglicherweise nicht wiederholen lassen, aber 325 km/h dürfen als verbrieft gelten.

Die starke Vorstellung in Längsrichtung ist ein schlüssiges Indiz dafür, dass die motorischen Anlagen wie versprochen stark entwickelt sind. Und sie unterstreicht auch die vorzügliche Arbeit, die im Rahmen hinsichtlich der Aerodynamik geleistet wurde. Trotz der riesigen Kühlluftschächte in der Front und des zusätzlichen Heckflügels bestätigt der Windkanal dem aufgebretzelten M6 ein erstaunlich windschlüpfiges Naturell. Der cW-Wert beträgt in der moderaten Flügelstellung 0,32. Zudem sind auch die Eigenschaften hinsichtlich der Querbeschleunigung stark entwickelt. Mit 1,25 g verfehlt der Tension zwar das für konventionelle Straßensportler derzeit erreichbare Maximum von 1,4 g. Doch dieses Delta ist eher den Möglichkeiten der Reifen zuzuschreiben als der Trilogie aus Setup, Fahrwerks-Layout und Gewichtsbalance.

Querbeschleunigungsspitze knapp verpasst

Letztere zeigt – nebenbei bemerkt – trotz des großen Powerpacks in der Front eine noch immer respektable Ausgewogenheit von 52,8 zu 47,2 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse. Auf die Möglichkeit, aus der Maximalstellung des hinteren Heckflügels Bestwerte in Sachen Abtrieb zu generieren, wurde bewusst verzichtet, um eine gesunde Balance zwischen akzeptablem cW-Wert auf der einen und Abtrieb auf der anderen Seite herzustellen – und um den Auftrieb an der Vorderachse durch das zwangsläufige Aufnickmoment nicht unnötig zu erhöhen.

Der Blick auf die Rundenzeiten macht jedenfalls deutlich, dass ein gesunder Kompromiss gefunden wurde. Denn schon auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim schlägt der Tension den Serien-M6 um knapp eine Sekunde: 1.13,5 Minuten gegenüber 1.14,4 Minuten – die Tuning-Variante trug Sportreifen der Marke Dunlop SP Super Sport Race, die Serienversion ähnlich gripbetonte Pirelli PZero Corsa. Im Unterschied zum klassisch-mischbereiften M6, der auf der Vorderachse mit dem schmaleren Format 255/40-19 vorfuhr, trat der Tension auch vorn mit derselben üppigen Größe an wie an der Hinterachse – 285/30 ZR 20. Ob es allein die breiteren Reifenauflageflächen an der Lenkachse sind oder ob das AC Schnitzer-Rennsportfahrwerk mit speziellen Stabilisatoren und Federbeinbrücke als Gesamtpaket Spuren hinterlässt, lässt sich schwer beurteilen Fest steht jedenfalls ein generell deutlich zu verzeichnender Gewinn in Sachen Fahrdynamik.

Das Handling des Tension begeistert

Die beim M6 festgestellte tendenzielle Untersteuerneigung – besonders mit den Sportreifen – ist beim Tension passé. Sowohl beim scharfen Einlenken als auch im Kurvenscheitelpunkt zeigt das Coupé eine begeisternde Agilität, die die Masse von fast 1,8 Tonnen fast völlig vergessen lässt. Dass im Kurvenausgang mit dem Gaspedal "mitgelenkt" werden kann, versteht sich bei dieser PS-Dominanz von selbst – natürlich nur, wenn das DSC deaktiviert ist. Aber: Weder Drohgebärden in Form von zackigen Ausbrüchen des Hecks noch andere Hinterhältigkeiten, wie etwa bösartige Konterschwünge, sind Bestandteil des Grenzbereichsverhaltens.

Am begeisternden Handling hat sicher auch die ungemein direkt arbeitende und darüber hinaus viel Rückmeldung liefernde Lenkung einen nicht zu unterschätzenden Anteil. Der Tension lässt sich millimetergenau dirigieren und bleibt – einen gefühlvoller Gasfuß vorausgesetzt – bis in höchste Grenzbereiche der Linientreue verpflichtet. Dass in einem solch von schierer Kraft erfüllten Umfeld schon nach kurzer Zeit am Limit ein so starkes Gefühl der Vertrautheit aufkommt, ist eine höchst seltene Fügung zwischen Mensch und Maschine, die nur mit einem außergewöhnlich hohen Maß an Abstimmungs-Kompetenz zu erklären ist.

Die Bremse ist auch höchsten Belastungen gewachsen

So, wie der urgewaltige Antrieb mit seiner unnachahmlich heiseren und Gänsehaut erzeugenden Akustik den Eindruck hinterlässt, die Gesetze der Schwerkraft gewissermaßen verbiegen zu können, so brisant wird auch die Intensität der negativen Beschleunigung empfunden. Die riesigen Stopper in Form von 374-Millimeter-Scheiben inklusive imposanter Achtkolbensättel vorn bringen es auf Verzögerungsleistungen von knapp 12 m/s2. Die Vollbremsung aus 200 km/h erledigt der BMW-Ableger damit innerhalb 4,7 Sekunden, respektive 130,4 Meter – und das auf Dauer und selbst in der Hitze des Rennstrecken-Gefechts ohne Leistungseinbußen.

Unabhängig von der üppigen Dimensionierung der entsprechenden Bauteile ist das Durchhaltevermögen der Bremsanlage sicher auch der intensiven Vorsorge zu verdanken, die hinsichtlich der Be- und Entlüftung der Radhäuser durch entsprechende Karosserieteile getroffen wurde. Die Effizienz des Maßnahmenkatalogs resultiert beim Tension also auch aus einer Vielzahl scheinbar nebensächlicher Aspekte, die anderswo oft geflissentlich vergessen werden. Die starke Wirkung des Feintunings bleibt auf der Nordschleife erst recht nicht aus. Während der sportbereifte Serien-M6 daran scheiterte, die Acht-Minuten-Schallmauer zu knacken (8.09 Minuten), ließ sich der Tension nicht zweimal bitten, die magische Grenze, die den Sportwagen vom wahren Supersportler trennt, niederzureißen. Unter uns gesagt: Mit der Zeit von 7.57 Minuten ist das M6 Coupé endlich dort angekommen, wo es gemäß seines natürlichen technologischen Anspruches hingehört. Ob das Resultat den hohen monetären Aufwand rechtfertigt, den der Tension als exklusives Einzelstück verkörpert – 260.000 Euro –, wird indes jeder außen Stehende bezweifeln, der in vernünftigen Kosten-/ Nutzen-Relationen denkt. Aber im Tuning-Geschäft ist es ja mittlerweile ähnlich wie im Motorsport: Wer Sekunden schinden und am Ende vorn sein will, muss in Vorlage gehen und der Welt mutig beweisen, was möglich ist. 

Technische Daten
AC Schnitzer Tension
Grundpreis260.000 €
Außenmaße4871 x 1905 x 1342 mm
Kofferraumvolumen450 l
Hubraum / Motor4999 cm³ / 10-Zylinder
Leistung406 kW / 552 PS bei 8000 U/min
Höchstgeschwindigkeit332 km/h
0-100 km/h4,6 s
Verbrauch14,8 l/100 km