Warum sportliche, heckgetriebene Limousinen der Mittelklasse, wie etwa der BMW 3er, fahrdynamisch als anspruchsvoll gelten, ist schnell erklärt: Sie besitzen im unbeladenen Zustand, also nur mit Fahrer, eventuell auch Beifahrer besetzt, eine nahezu ausgewogene, fast gleichmäßige Gewichtsverteilung auf Vorder- und Hinterachse und reagieren damit sehr feinfühlig auf feinste Nuancen der Reifenkonstruktion, des Profilbildes, der Gummimischung und damit natürlich der Haftung des Reifens. Im Test ist das von Vorteil, weil sich so die Unterschiede zwischen den einzelnen Reifen ausgesprochen trennscharf herausarbeiten lassen.
Zehn Produkte stellen sich in dieser Saison dem auto motor und sport-Vergleich. Aus dem gehobenen Preissegment sind neben dem Vorjahressieger Goodyear UltraGrip Performance Plus der BF-Goodrich g-Force Winter 2, der im letzten Jahr eingeführte Bridgestone Blizzak LM 005 und der bewährte Michelin Alpin 6 mit dabei. Toyos Observe S 944, der überarbeitete Nokian WR und Vredesteins Wintrac Pro besetzen das mittlere Preissegment, während der Falken Eurowinter HS01, der GitiWinter W1 und der Maxxis Premitra Snow WP 6 zu den eher preisgünstigen Winterreifen zählen.

Sichere Performance bei fiesem Winterwetter
Mit Brems-, Traktions-, Seitenführungs- und Handlingtests auf Schnee, Komfortprüfungen, Brems- und Handlingversuchen auf nassen und trockenen Pisten sowie spektakulären Spurwechselmanövern bei Autobahntempo ebenso wie der Reifen mordenden Zeitenjagd auf dem Racetrack nehmen wir die Fähigkeiten jedes einzelnen Reifenmodells sowohl in alltagsnahen wie auch in extremen Situationen messtechnisch und subjektiv genau unter die Lupe. Natürlich geht es hier um Grenzbereiche.
Um Situationen, wie wir sie niemandem in der alltäglichen Fahrpraxis wünschen. Ereignisse, die aber, ob selbst- oder fremdverschuldet, jederzeit eintreten können. Es geht um Ihre Sicherheit! Je einfacher ein Reifen in unseren bewusst provozierten Grenzsituationen beherrschbar ist, je mehr Haftung er beim Bremsen bietet: Jedes Quäntchen mehr Traktion und jede Gripreserve in Kurven schlägt sich in unserer detaillierten Testtabelle nieder und bewahrt Sie – in einer entscheidenden Notsituation – vor Schaden oder Leid.

Doch welcher ist nun der aktuell beste Winterreifen? Der, der auf Schneefahrbahnen den meisten Grip bietet? Das mag für Anwendungsbereiche in alpinen oder Mittelgebirgsregionen zutreffen. Stehen aber alle winterlichen Straßenverhältnisse – die verschneite, nasskalte wie auch die trockene Fahrbahn – gleichermaßen im Fokus, ist es der beste Allrounder, der hier das Rennen machen muss.
Und das ist am Ende der noch junge Bridgestone Blizzak LM 005: Während er sich beim letztjährigen Winterreifentest auf dem frontgetriebenen VW T-Roc nicht gegen den dort starken Goodyear UltraGrip Performance Plus behaupten konnte, fährt er 2020 auf dem BMW mit sehr überzeugenden Leistungen in allen Disziplinen weit nach vorn – mit Bestnoten beim Bremsen auf Schnee und auf Nässe sowie dem zweitniedrigsten Rollwiderstand. Minuspunkte gab’s lediglich für eine leichte Heckinstabilität beim schnellen Spurwechsel.
Mit überragenden Leistungen auf Schnee, aber nur durchschnittlicher Performance auf nassen wie trockenen Straßen, und damit einen ganzen Zähler hinter Bridgestone, erreicht der BF-Goodrich g-Force Winter 2 den zweiten Platz – eine Empfehlung eher für schneereichere Gegenden. Den dritten Platz teilen sich die nur um Haaresbreite dahinter liegenden Vredestein Wintrac Pro und Michelin Alpin 6, wobei Michelin bei recht niedrigem Rollwiderstand besser auf nassen und trockenen Winterstraßen performt. Der weniger energieeffiziente Vredestein zeigt, bei insgesamt recht ausgewogenen Leistungen, aber im Kurvenverhalten trocken wie auch beim Bremsen auf Nässe einzelne Detailschwächen, die angesichts des günstigen Preises allerdings verschmerzbar sein könnten.

Und Vorjahressieger Goodyear? Der konnte in diesem Jahr auf BMW speziell in Sachen Nasshaftung nicht ganz überzeugen. Während er in der letzten Saison mit 32,5 Metern knapp 1,3 Meter hinter dem Bridgestone das drittbeste Bremsergebnis einfuhr, rutschte er im Test 2020 ganze drei Meter hinter dem wieder führenden Bridgestone her und kann in dieser Disziplin nur noch den siebten Rang beanspruchen. Der Grund könnte in größenspezifischen Mischungsunterschieden oder Produktionsschwankungen liegen, wir jedenfalls können seine Gesamtleistung – auf dem BMW – nur noch mit "gut" bewerten.
Und der Nokian WR? Er vermittelt trotz seiner nordischen Herkunft wenig Begeisterung auf Schnee, auch auf Nässe wirkt er mit etwas reduziertem Gripniveau freudlos. Mit bester Effizienz und sehr kurzen Bremswegen auf trockenem Asphalt sichert er sich, wenn auch nur knapp, ebenso ein "gut".
Mit "befriedigend" schließen gleichermaßen Toyo, Giti und Maxxis den Test ab, der preisgünstige Falken landet mit nur mäßiger Performance, sehr hohem Rollwiderstand und Stabilitätsdefiziten beim schnellen Spurwechsel mit einem ebenfalls noch befriedigenden Ergebnis auf dem letzten Platz.
Ja, aber der Preisvorteil? Fakt ist: Zum Testsieger Bridgestone beträgt die Differenz nach aktuellen Marktpreisen pro Reifensatz rund 120 Euro. Ein Mehrpreis, den das deutliche Plus an Sicherheit allemal wert sein sollte. Im Folgenden sehen sie die Bewertung aller getesteten Reifen im Detail.
Bridgestone Blizzak LM 005 (Testsieger)
Überragende Nässeperformance durch guten Nassgrip
Großes Reserveangebot
Ausgezeichnete Fahrstabilität
Kürzeste Bremswege
Guter Aquaplaning-Schutz
Komfortabel
Etwas instabil nur in schnellen Ausweichsituationen auf trockenen Straßen
Fazit: Sehr sicherer Allrounder mit kürzesten Bremswegen auf Nässe und Schnee (9,1 Punkte, sehr gut).
BF-Goodrich g-Force Winter 2
Gute Aquaplaning-Vorsorge
Sicheres Bremsen auf trockenem Asphalt
Leise
Kräftiges Untersteuern und schwache Seitenführung in nassen Kurven
Deutlich verlängerte Nassbremswege
Etwas reduzierte Fahrstabilität bei forcierter Fahrweise auf trockener Bahn
Fazit: Winterprofi mit guter Schneeperformance, aber leichtem Nässedefizit (8,1 Punkte, sehr gut).
Vredestein Wintrac Pro
Präzise, neutral und zuverlässig auf nasser Fahrbahn
Sicher durch sehr kurze Bremswege auf trockenem Asphalt
Reifen reagiert bei Schnee träge auf Lenkbefehle, verbunden mit kräftigem Untersteuern in verschneiten Kurven
Zum Testsieger etwas verlängerte Bremswege auf Nässe
Etwas lastwechselempfindlich in trockenen Kurven
Fazit: Kurvenfest auf nassen, bremsstark auf trockenen Straßen, unser Preis-Leistungs-Tipp (8,0 Punkte, sehr gut).
Michelin Alpin 6
Auf Nässe ausgewogen und direkt mit sicherer Untersteuertendenz
Auch trocken leich beherrschbar und neutral mit sicher-breitem Grenzbereich
Sehr kurze Bremswege
Leises Abrollen
Schwache Reserven und Defizite beim Bremsen und bei Traktion auf Schnee
Geringfügig eingeschränkte Stoßdämpfung im Komforttest auf Querfugen
Fazit: Meist hochpreisiger Reifen mit guter Trocken- und Nass-, aber eingeschränkter Winterperformance (8,0 Punkte, sehr gut).
Goodyear UltraGrip Performance + (Plus)
Bester Aquaplaning-Schutz
Bei etwas reduziertem Kurvengrip sicheres und überraschungsfreies Handling in trockenen Kurven
Angenehm leises Abrollen
Längere Bremswege und erhöhte Lastwechselempfindlichkeit auf Nässe
Fazit: Der Vorjahressieger verliert wegen schwächerem Nassgrip wichtige Punkte (gut, 7,9 Punkte).
Nokian WR Snowproof
Höchste Kraftstoffeffizienz durch niedrigsten Rollwiderstand
Nur mäßiger Grip auf Schnee
Schwache Traktion und kräftiges Untersteuern nass
Eingeschränkter Dämpfungskomfort
Leichtes Summen im Ausrollen
Fazit: Niedriger Rollwiderstand bringt niedrigen Spritverbrauch – aber auch Nachteile auf Schnee und Nässe (gut, 7,1 Punkte).
Toyo Observe S 944
Agile Lenkreaktion
Sehr guter Kurvengrip auf trockenem Asphalt
Lange Bremswege und träges Lenkansprechen auf Schnee
Schwache Performance und wenig ausgewogenes Nasshandling
Etwas zu viel Übersteuerungstendenz trocken
Wenig Dämpfungskomfort
Leichtes Summen im Ausrollen
Fazit: Der Trockendynamiker unter den Winterpneus – leider etwas bremsschwach (befriedigend, 6,9 Punkte).
Giti GitiWinter W1
Trocken noch gute Bremsleistungen und ordentlicher Kurvengrip
Recht komfortabel abrollender Reifen
Leichte Schwächen im Schnee-Grip – besonders beim Bremsen
Kräftiges Untersteuern bei geringen Reserven
Lastwechselempfindlichkeit mit Übersteuerungstendenz in trockenen Kurven
Fazit: Günstigstes Produkt auf reduziertem Leistungsniveau, aber ohne gravierende Mängel (befriedigend, 6,9 Punkte).
Maxxis Premitra Snow WP 6
Leicht beherrschbar auch auf trockenem Asphalt
Schmaler Grenzbereich und geringe Reserven auf Schnee
Leichte Defizite im Aquaplaning-Schutz
Längere Bremswege
Schwach hörbares Summen im Ausrollen
Fazit: Ausgewogener Reifen mit etwas eingeschränkten Reserven, aber ohne gravierende Mängel (befriedigend, 6,8 Punkte).
Falken Eurowinter HS01
Akzeptable Nasshaftung
Ordentliche Aquaplaning-Vorsorge
Bei Defiziten im Handling kurze Bremswege trocken
In Relation zur guten Seitenführung auf Schnee schwache Traktion und schwaches Bremsen
Auf Nässe bei nur geringen Reserven starkes Untersteuern
Schwaches Singen im Ausrollen
Eingeschränkter Abrollkomfort
Fazit: Bei sonst noch befriedigenden Leistungen fehlen dem Falken vor allem Fahrstabilität und Effizienz (befriedigend, 6,8 Punkte).
So wurde getestet
Um bestmögliche Genauigkeit und Ergebnissicherheit zu gewährleisten, werden – soweit machbar – sämtliche Versuche in diesem Test mehrfach durchgeführt. Angewendet wird ein progressives Bewertungsschema, das gleichermaßen die objektive Bewertung durch Messgeräte wie auch die subjektive Benotung durch die erfahrenen Testfahrer berücksichtigt. Beim Handling auf Schnee sowie auf nasser oder trockener Bahn führt ein ausgewogenes, sicheres und den Erwartungen der mutmaßlichen Zielgruppe entsprechendes Fahrverhalten zu einer Optimalbenotung.
Die Aquaplaning-Tests, jeweils getrennt in Längs- und Querrichtung durchgeführt, geben Auskunft über die Reaktion der Reifen, etwa beim Durchfahren tiefer Spurrinnen. Die Höhe der kritischen Aufschwimmgeschwindigkeit bei Geradeausfahrt oder die erreichbare Querbeschleunigung bei Wasserdurchfahrt nach VDA-Kriterien sollen jeweils die Sicherheitsreserven der Reifen aufzeigen.

Der verbrauchsbeeinflussende Reifen-Rollwiderstand wird nach Möglichkeit in jeweils zwei unterschiedlichen Testlaboratorien auf Rollenprüfständen ermittelt. Die Ergebnisse fließen in Form eines Mittelwerts in die Bewertung ein. Grundlage dieser Beurteilung ist die für das Reifenlabel relevante europäische Gesetzgebung zur Reifenkennzeichnung. Zur langfristigen Absicherung der Ergebnisse werden die getesteten Produkte normalerweise mit Reifen aus nachgelagerten Testkäufen in stichprobenartigen Nachtests verglichen. Im Fokus: die besten drei des Tests sowie Produkte mit atypisch guter Performance oder ungewöhnlichen Verschleißerscheinungen. Abweichungen oder Auffälligkeiten würden zum Testausschluss führen, verbunden mit entsprechender Berichterstattung.
Ein Standard, der allerdings aufgrund der während der Testdurchführung ausgebrochenen Covid-19-Pandemie nicht gehalten werden konnte. Der Zugang zu Reifentestgeländen war stark eingeschränkt oder nicht möglich. Auch konnten ungewöhnliche Verschleißerscheinungen, Normabweichungen oder Auffälligkeiten bei der Auswertung nicht festgestellt werden. Wir bitten um Verständnis, dass die sonst üblichen Nachtests in dieser Testsaison ausgesetzt wurden.