Skandal bei GTI-Misswahl: Miss Autonews fährt gar keinen GTI

Skandal bei GTI-Misswahl
Miss Autonews fährt gar keinen GTI

Claudia ist erschüttert. Die Jungredakteurin der Klagenfurter Tageszeitung stellt fassungslos fest, dass es in 30 Jahren GTI-Treffen am Wörthersee noch nie eine Misswahl gegeben hat. "Wir haben in Österreich eine Misswahl für alles. Wir haben eine Salami-Prinzessin, die Käse-Kaiserin, nur eine Miss-GTI gab es nie." Aber dem Himmel, dem Bürgermeister, oder wem auch immer sei Dank, wird dieser kapitale Missstand anno Domini 2012 behoben.

13.000 Stimmen für 15 Kandidatinnen

Schon am Vortag des Finales sickern Gerüchte durch: fast 13.000 Leute hätten abgestimmt für 15 Kandidatinnen. Zwei Tage lang gab es schon Fotoshootings der Bewerberinnen. Die Fotografen sollen allerdings schon die Nase gerümpft haben, es sei nicht allzu viel Schönheit vertreten.

Das Volk will kein Brot, sondern Gummi, Gummi

Die liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, und so bricht der auto-motor-und-sport-Chronist bei Anbruch der Dunkelheit noch einmal auf, um dem einmaligen Spektakel beizuwohnen. Rund um den See sitzen Grüppchen auf Camping-Stühlen am Straßenrand, um vorbeirollende GTIs zu bewundern. Das Volk will kein Brot, aber Spiele und so fordert es allerorten: "Gummi, Gummi." Kaum lässt ein weißer Golf am Kreisverkehr hinter Pörtschach kurz die Muskeln spielen, schehrt schon die zwei Autos weiter hinten lauernde Polizei aus, um die Harmlosigkeit zu ahnden. Die Staatsgewalt ist mit einem Großaufgebot ausgerückt, und Radarpistolen muss es kürzlich im Sonderangebot gegeben haben.

In der Nähe des Festortes Reifnitz lässt sich der Staatssäckel tagsüber kaum füllen, weil die Seeuferstraße ohnehin in jede Richtung ein einziger Stau ist. Am Abend kommt der Anreisende aber mühelos durch, und wenn er Reifnitz erreicht, weiß er auch, warum. Jeder GTI-Eigner, der etwas auf sich und seinen Effektlack hält, hat das Dorf längst fluchtartig verlassen. Die Straßen sind von Autos leergefegt. Alles, was an der Uferstraße noch Spalier steht, ist das Aufgebot der Ambulanz. Am Ortseingang kontrollieren Wächter, ob niemand Glasflaschen ins Epizentrum schmuggelt. Alle Stände von den Herstellern und Tunern sind mit mannshohen Zäunen und Absperrgittern zur Festung umgebaut. Ein Heer von Ordnern und Polizei patrouilliert über die Seestraße, auf der die Horden zum Gummi-Platz strömen, ein asphaltiertes Karee, das Felgenhersteller BBS an diesem Wochenende zum Circus Maximus erklärt hat.

"Mia singan für diech"

Wie schon mehrfach an diesem Wochenende wird vor Tausenden Fans ein Quad gequält. Die Kautschuk-Qualmwolke hängt wie Pulverdampf über der Kreuzung. Niemand, der ernsthaft Geld in seinen Golf gesteckt hat, würde jetzt noch durch das Spalier fahren, der Reporter ist mit einem Toyota da und fragt sich, ob die Durchfahrt nicht gefährlicher Leichtsinn ist. Schon steuern zwei junge Damen in mittelschwer alkoholisiertem Zustand das Seitenfenster an. Todesmutig öffnet der Kriegsberichterstatter die Scheibe. "Mia singan für diech", sagt die Brünette mit dem GTI-Glitzerhut fröhlich. Das ist aber nett. Was singt ihr denn? "Koa Ahung. Dös Lied, wohs da grad spüln", sagt die Blonde, die auch im Dunkeln ihre verspiegelte Sonnenbrille nie absetzt.

Glücklich am Ortsende geparkt, muss der Reporter feststellen, dass er die Gefahr als Fußgänger drastisch unterschätzt hat. Ausgehungert hat er einen der Fressstände angesteuert, um eine frittierte Kombo aus Fleisch, Fisch, Zwiebelringen und Fritten zu erstehen – natürlich mit reichlich Knoblauchsauße. Wer weiß, vor welchen Gefahren man sich im Laufe des Abends noch schützen muss.

Misswahl ist 'ne schnelle Nummer

Kaum hat er einmal in ein gebratenes Hähnchenteil gebissen, lernt der Vogel wieder fliegen. Angerempelt von einem rückwärts Stolpernden, landet die fettige Fracht auf der Straße. Nun ja, man soll ja eh nicht so viel Fastfood essen.

Apropos schnelle Nummer: Die Misswahl hat plötzlich und unvermittelt begonnen. Kaum angefangen, präsentiert die lautstarke Moderatorin auf der Bühne auch schon die drei Finalistinnen. Wie jetzt? Keine Bikini-Show, keine Abendkleider, kein Auf und Ab auf der Bühne? Zwei Finalistinnen werden ernsthaft mit einem GTI-Buch abgespeist. Nach kaum fünf Minuten wird die Siegerin präsentiert.

Angela Kutscher erfüllt formal alle entscheidenden Kriterien. Sie ist hellblond, schlank, trägt kniehohe Stiefel und kommt aus Bergheim bei Köln. Sie hat in den letzten Tagen versucht, die Miss-Wahl zu googeln, ist aber gescheitert, es gab ja zuvor keine. Jetzt gibt es Busserl vom Ortsbürgermeister, natürlich auch ein GTI-Buch und sonst? "Ich weiß auch nicht. Es gab wenig Informationen", gesteht die 25-jährige Buchhalterin. Die Moderatorin hilft auf die Sprünge und verkündet, dass die frisch gekürte GTI-Queen natürlich im kommenden Jahr wieder aufzutreten hat. Zudem verspricht sie, dieser Abend sei der Auftakt zu einer großen Karriere. Wie ein echter Champion nimmt Angela derlei Ovationen ohne große Aufregung zur Kenntnis. "Ich arbeite ja schon in diesem Geschäft. Nebenberuflich bin ich Messehostess", sagt sie.

"Ich fahre einen Opel"

Bei Miss-Wahlen gehört es ja eigentlich zum Prozedere, dass den Kandidatinnen Fragen gestellt werden, die dann möglichst unfallfrei, staatstragend und politisch korrekt zu beantworten sind. Der Reporter holt also das vom Veranstalter Versäumte nach und fragt: "Welche Beziehung hat denn die Frau Kutscher zum GTI." Unbemerkt von den betrunkenen Massen, die längst wieder Gummi riechen wollen, kommt es hinter der Bühne zum Eklat: "Gar keine. Ich fahre einen Opel", gesteht Angela und entschwindet alsbald im Dunkel der Nacht.