Ruhrschnellweg A 40 als Still-Leben: Wenn die Autobahn zur Feiermeile wird

Ruhrschnellweg A 40 als Still-Leben
Wenn die Autobahn zur Feiermeile wird

Hunderttausende von Autos pressen sich Tag für Tag über die Autobahn A 40 zwischen Dortmund und Duisburg. Auf dem Weg zur Arbeit nach Essen, zu Freunden nach Dortmund, zum kurzen Termin in Duisburg, zur Feier nach Bochum oder einfach kurz zum Einkaufen in den Ruhrpark. Wer im Ruhrgebiet wohnt, kommt um die automobile Lebensader A 40 nicht herum.

Am Sonntag, 18.7., wollten das Land Nordrhein-Westfalen, das Ruhrgebiet und das Projekt Ruhr 2010 der Bedeutung der Schnellstraße huldigen und sperrten sie komplett ab. Statt der üblichen Staus in Wattenscheid, Gelsenkirchen oder Lütgendortmund gab es auch dieses Mal wieder kein Durchkommen, denn die A 40 wurde für einen Tag zur größten Partymeile der Welt. Im Rahmen der Feiern zur europäischen Kulturhauptstadt 2010 wurde die A 40 auf einer Strecke von 60 Kilometern zum Zentrum des Ruhrgebiets - nur ohne Autos.

Autofreier Sonntag auf der A40

Auf der A40-Fahrtrichtung Ost nach Dortmund konnte sich mit allem fortbewegt werden, was keinen Motor hatte. Die meisten machten dies per Pedes, wanderten, radelten und erkundeten die Streckenabschnitte der eigenen Wahl. Die gegenüberliegende Fahrtrichtung West wurde derweil zur Partymeile. Auf 60 Lastwagen wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag mehr als 20.000 Tische und 40.000 Bänke aufgebaut, die zum vorbestellten Verweilen einluden. Für 25 Euro pro Tischbuchung wurden Geburtstage gefeiert, die Werbetrommel gerührt, gespielt, getanzt, gegessen oder gesungen. Alle 500 Meter Stationen für Essen und Trinken. Das Wirrwarr bei der Platzsuche sorgte für hunderte neuer Bekanntschaften. Für die meisten gab es nur ein Thema: die A 40 und der unendliche Alltagsstau. Denn auch ohne Autos ging auf der Mobilitätsspur auch am autofreien Sonntag nichts. Polizei und Ordnungskräfte mussten die einzelnen Auffahrten immer wieder sperren - eigentlich ein Bild wie sonst auch.
 
In monatelanger Vorbereitung wurde das größte Projekt der Kulturhauptstadt Essen als zentraler Punkt auf der Autobahn A 40 geplant. Wie vor dem Essener Hauptbahnhof wurden auf der insgesamt rund 60 Kilometer langen Strecke zwischen Dortmund, Märkischer Straße und Duisburg-Häfen immer wieder ein paar Meter Leitplanken entfernt, damit die Besucher auch ohne Kletterarbeit auf Erkundungstour gehen konnten. Die Autobahn A 40 ohne Auto zu erleben war für viele etwas ganz Besonderes. "Bei diesem Wetter ist das doch einfach unglaublich. Eine Partymeile zwischen Dortmund und Duisburg - einfach toll. Sollte man jedes Jahr einmal machen", lacht Ulrike Busch, die eigens aus Recklinghausen ins benachbarte Bochum gekommen ist, "nur die Anreise war eben eine Katastrophe. Das merkt man erst einmal wieder, dass ohne die A 40 hier nichts geht."

100 Bräute am Autobahnkreuz Kaiserberg

Einen Sonnentag auf der Autobahn A 40 nahe der Anschlussstelle Wattenscheid-West oder der noch jungen Ausfahrt Dortmund-Barop zu verbringen, hätten sich die meisten der insgesamt gut 1,5 Millionen Besucher nur in einem Dauerstau am Montagmorgen oder Freitagnachmittag vorstellen können. Denn zu dieser Zeit geht auf der Autobahn A 40 zumindest zwischen Essen und Dortmund zumeist kaum etwas.

Das Großbauprojekt Ausbau der A 40 auf drei Spuren je Fahrtrichtung sorgt dafür, dass es seit Jahren kein Durchkommen gibt. Tag für Tag verbringen die Autofahrer auf der A 40 endlos lange Wartezeiten im Stau. "Hat mit den Bauarbeiten hier nichts zu tun. Das war schon immer so. Staus gibt es hier jeden Tag so lange ich denken kann", räumt der 62-jährige Peter Mertes ein, der in Bochum wohnt und früher über die A 40 zur Arbeit Richtung Dortmund fuhr, "wie lange das jetzt schon wieder mit den Baustellen zwischen Bochum und Essen dauert, glaubt einem doch keiner. Das weiß man nur, wenn man hier wohnt. So etwas gibt es doch auf keiner anderen Autobahn." Wohl auch einmalig dürften die 100 Bräute sein, die am Autobahnkreuz Kaiserberg über die Fahrbahn der A 40 liefen. Auch kurz nach der Fußball-WM ging es auch beim Still-Leben auf dem Anfang der 60er Jahre fertig gestellten Ruhrschnellweg nichts ohne das runde Leder. So trafen sich an einer überdimensionalen Bierbank schiedlich-friedlich gegenübersitzend die verfeindeten Fußballlager von Schalke 04 und dem BVB. Die A 40 bringt letztlich doch alle zusammen.  

Sogar mit dem Fahrrad steht man auf der A 40 im Stau

Kaum eine andere Autobahn in Deutschland wie die A 40 ist derart viel befahren. Rund 150.000 Autos passieren Tag für Tag und Nacht für Nacht die wichtige Ost-West-Verbindung im Herzen von Nordrhein-Westfalen. Viele der Besucher des Still-Lebens A 40 feierten nach Ende der Veranstaltung weiter auf kleineren After-A40-Partys oder beim musikalischen Großevent Bochum Total, eine der größten Innenstadtveranstaltungen Deutschlands. Nach zahllosen Darbietungen auf den beiden Fahrspuren und dem gemeinsamen Absingen des obligatorischen Steigerliedes gegen Mittag flog ein Flugzeug über die A 40 und beendete das Fest fast pünktlich gegen 17:00 Uhr. Nach nächtlichen Aufräum- und Bauarbeiten musste es am frühen Montagmorgen gegen 05:00 Uhr auf der A 40 schließlich wieder weitergehen. Der Berufsverkehr wartete.

Die meisten waren am autofreien Sonntag zwischen Bochum und Dortmund oder Essen und Duisburg-Hafen übrigens genau so schnell wie am Tag zuvor unterwegs - im Schritttempo. "Unglaublich, dass es selbst mit dem Fahrrad Stau gibt. Ist eben typisch A 40" lacht Ulrike Busch, "an sich wollte ich bis nach Duisburg mit dem Rad. Aber ich bin besser umgekehrt. Morgen komme ich im Auto wieder."