Thomas Weber: "Wir waren vor zwei Jahrzehnten der erste Autohersteller mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum im Silicon Valley, wir kennen Apple und Google also sehr gut. Beide entdecken jetzt das Auto als großen Markt. Aber Angst haben wir vor diesen Firmen nicht, wir gehen locker damit um. Denn wir glauben, dass die deutsche Industrie durchaus von den Konzernen im Valley und ihrer offenen Diskussionskultur etwas lernen kann. Und diese Firmen wiederum empfangen uns mit großem Respekt – weil sie wissen, was wir können. Mich interessieren keine Feindbilder, mich interessiert eher die Frage: Können wir unsere Stärken kombinieren? Aber Entscheidungen sind da noch keine gefallen."
Thomas Weber: "Lassen Sie mich das bewusst etwas überspitzt formulieren: In Deutschland ist es so, dass jemand eine Idee hat. Dann kommen sofort viele, die wissen, warum das keinen Sinn macht, zu teuer ist oder nicht geht. Die Firmen im Silicon Valley entdecken etwas Neues, probieren es aus und schauen relativ entspannt, wie es im Markt ankommt und welche Anwendungen sich noch ergeben könnten. Auch wenn beispielsweise die Google-Brille erst mal gescheitert ist, wird dort schon an einer nächsten Generation gearbeitet, die dann vielleicht mit neuen Features den Durchbruch bringt. Eine fast spielerische Art von Innovationskultur. Im Umgang mit Innovationen können wir sicherlich noch etwas lernen."
Thomas Weber: "Das emissionsfreie Fahren, das unfallfreie Fahren, zu dem auch das autonome Fahren gehört – daran hat sich gar nichts geändert. Und wir fokussieren uns stark auf die Chancen, die uns die Digitalisierung bringt, sowohl im Fahrzeug als auch entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dies macht uns effizienter und schneller, und unsere Kunden profitieren davon. Neben dieser Zukunftsvorsorge beschäftigt mich natürlich auch massiv das Hier und Jetzt: die Schlagzahl unserer Produktoffensive hochzuhalten und damit unsere Kunden weltweit zu begeistern."
Thomas Weber: "Im Schwerpunkt geht es dabei um die Steigerung von Komfort und Sicherheit, ums unfallfreie Fahren. Das ist im Moment unsere Haupttriebfeder, und da werden wir nächstes Jahr mit der neuen E-Klasse und zahlreichen Innovationen den nächsten großen Schritt gehen. Aus stressigen oder langweiligen Fahrsituationen entstehen neue Möglichkeiten, die Zeit im "Lebensraum Auto" sinnvoller oder angenehmer zu nutzen. Das halte ich für eine sehr faszinierende Zukunftsvision."
Thomas Weber: "Ich antworte hier mit dem Beispiel Skifahren. Wenn sie den Berg hochmüssen, nehmen die meisten gerne den Skilift. Aber herunterfahren wollen sie unbedingt selbst, vor allem auf einer Traumpiste. So ähnlich wird meiner Meinung nach auch das autonome Fahren genutzt werden. Im Stau hilft es mir jeden Morgen, entspannt und sicher im Büro anzukommen. Aber wenn ich am Wochenende durchs Remstal oder über einen schönen Alpenpass fahren möchte, dann mache ich das eigenhändig und habe meinen Spaß dabei."
Thomas Weber: "Auch wir sind da vielfältig unterwegs, von Touch-Konzepten bis hin zur Sprachbedienung. Eine Anwendung für Gestensteuerung ist beispielsweise unser Hands-free Access, mit dem unsere Kunden den Kofferraum bequem öffnen können. Die Herausforderung dabei: Wir müssen den unterschiedlichsten Kunden eine ideale Möglichkeit der Bedienung bieten – und jeder nutzt dann das, was ihm am liebsten ist. Gestensteuerung im Fahrzeug wird kommen, doch wir müssen sehr genau darauf achten, dass man z. B. durch eine unbedachte Bewegung keine ungewollten Reaktionen hervorruft. Am Ende des Tages muss die Bedienung sicher und intuitiv sein. Das ist unser Weg."
Thomas Weber: "Bestimmt nicht über eine Verbotsdiskussion. Man kann die Kunden nicht zwingen, ökonomische Autos zu kaufen. Ich glaube einfach, wir dürfen bei alternativen Antrieben und reinen Elektroautos nicht nur über das Thema CO2 kommen. Wir müssen vor allem auch mit Faszination und Fahrspaß überzeugen. Elektroautos müssen begehrenswert sein. Warum kaufen die Menschen Gucci-Taschen? Eine Einkaufstasche würde ja vermutlich denselben Transportzweck erfüllen. Wenn Sie unseren SLS Electric Drive fahren und sein unglaubliches Beschleunigungsvermögen spüren, dazu nur dieses leise Surren im Innenraum hören – dann erleben Sie, wie faszinierend Elektroautos sein können."
Thomas Weber: "Haben wir doch! Den SLS Electric Drive haben wir schon 2013 an Kunden ausgeliefert. Wichtiger ist jetzt, dass man auf nennenswerte Stückzahlen kommt, das geht nur, wenn wir mit der Elektromobilität in die Fläche gehen. Das größte Marktpotenzial sehe ich nicht bei einem Elektro-Sportwagen, sondern bei Plug-in-Hybriden. Zehn Modelle haben wir angekündigt, fünf sind bereits im Markt. Niemand hat auf dem Feld E-Mobilität so viel gemacht wie wir. Die B-Klasse bieten wir seit letztem Jahr auch mit Elektroantrieb an. Und unser E-Smart war lange Zeit Marktführer, das darf man nicht vergessen. Ich finde, es gibt nichts Besseres für den Stadtverkehr als den E-Smart, gerne auch in Verbindung mit Car2go. Und ab nächstem Jahr erweitern wir unser Elektro-Portfolio nochmals mit dem neuen Smart als Fortwo, Cabrio und Forfour."
Thomas Weber: "Klar, bald sogar. Wir arbeiten an einem intelligenten Konzept für ein hochattraktives E-Fahrzeug mit 400 bis 500 km Reichweite."
Thomas Weber: "Vielleicht. Vielleicht aber auch größer, denn unser innovatives Konzept wird natürlich nicht nur für ein einzelnes Fahrzeug nutzbar sein."
Thomas Weber: "Das haben wir lange untersucht, aber wir legen bei Mercedes nun mal großen Wert auf Geräusch- und Schwingungskomfort. Was man durch das Abschneiden eines Zylinders an Gewicht spart, muss komplett reinvestiert werden, um den Motor durch Ausgleichswellen etc. zu beruhigen. Deshalb basiert der Mercedes-Weg auf einem großen und einem kleinen Vierzylinder mit kleinerem Zylinderabstand. Dies halten wir für den besseren Weg."
Thomas Weber: "Salopp formuliert: Früher haben wir einzelne Autos gemacht, die technisch wenig miteinander zu tun hatten. Das war teuer und hat lange gedauert. Heute entwickeln wir intelligente Fahrzeugarchitekturen, die viel mehr können. Wir arbeiten mit Basisarchitekturen für Front- und Hinterradantrieb. Diese Entwicklung ist zwar erst mal aufwendiger, aber wenn sie dann steht, kann man diese Basis für viele neue Varianten nutzen. Die Aufwendungen halten sich in engen Grenzen, und es geht viel schneller. Dies ist das Erfolgsrezept unserer Produktoffensive. Dabei darf man aber die Produktdifferenzierung nicht vernachlässigen. Ein Beispiel: Wir hätten das Coupé des GLE auch mit weniger Aufwand machen können, aber wir wollten nicht nur die Optik ändern, sondern wir haben zum Beispiel auch das Fahrwerk spürbar sportlicher ausgelegt. Eine Investition, über die sich unsere Kunden sehr freuen werden."
Thomas Weber: "Hier haben wir ein Versprechen einzulösen. Mit der E-Klasse haben wir immer den Maßstab in ihrem Segment gesetzt. Auch mit der neuen E-Klasse wollen wir die intelligenteste Business-Limousine in diesem Segment bieten. Leichtbau und Aerodynamik werden darüber hinaus zusammen mit hocheffizienten Motoren die Verbrauchswerte deutlich senken. Auch Sicherheit ist uns sehr wichtig – und wir gehen noch einen signifikanten Schritt weiter beim Thema autonomes Fahren. Die E-Klasse wird noch komplexere Fahrsituationen bewältigen können und in der Lage sein, über einen längeren Zeitraum teilautomatisiert zu fahren. Und klar, das emotionale Design und die Wertanmutung der neuen E-Klasse werden für sich sprechen."
Zur Person
- Geboren 26. Mai 1954 in Scharnhausen bei Stuttgart
- 1995–1998 Leiter Mercedes-Motorenwerk Bad Cannstatt
- 1999–2003 Leiter des Mercedes-Werks Rastatt
- Seit 2003 Vorstandsmitglied Daimler AG, Konzernforschung und Entwicklung Mercedes-Benz Cars
Weitere Themen im neuen auto motor und sport, Heft 18/2015 (ab 3. September 2015 im Handel):
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