40 Jahre Mondauto: Mit nur einem PS ins Weltall

40 Jahre Mondauto
Mit nur einem PS ins Weltall

Keine Straßen, keine Verkehrsregeln, keine Tempokontrollen: Eigentlich hätten David Scott und James Irwin 1971 ja so richtig Gas geben können. Doch die Apollo 15-Astronauten, die als erste Menschen ein Automobil auf dem Mond fuhren, hatten ganz andere Sorgen. Die Vorderachse des Gefährts ließ sich zuerst nicht lenken, die geringe Mondanziehungskraft machte ihnen zu schaffen und die Sicherheitsgurte waren eigentlich zu kurz für die Männer in ihren dicken Raumanzügen.

Trotzdem war die erste Mondfahrt ein voller Erfolg. Ohne ihren "Moon Buggy" hätten die Astronauten nur einen Bruchteil ihrer Aufgaben erledigen können, da man zu Fuß auf dem Mond mit seinen zerklüfteten Felsen und gefährlichen Kratern einfach nicht weit kam. Scott und Irwin fuhren an der Hadley-Rille vorbei, rollten über die Hänge der Apenninen-Berge und bugsierten ihren Lunar Rover  zwischen faszinierenden Kratern hindurch. Zwischendurch hielten sie an, um Experimente durchzuführen oder Mondgestein zu sammeln. "Eine Super-Methode zu reisen – wirklich großartig und ganz einfach zu fahren", berichtete Astronaut Scott nach der ersten Tour an die Bodenkontrolle auf der Erde.

Mondauto mit Elektroantrieb

Viele Knöpfe gab es beim LRV (Lunar Roving Vehicle) in der Tat nicht zu bedienen. Ein Joystick-ähnlicher Controller diente zum Gasgeben, Bremsen und Lenken. Die Astronauten saßen auf simplen Sitzgestellen mit einem Nylongeflecht als Polster, das 210 Kilo leichte Auto bestand hauptsächlich aus Aluminium und hatte eine Zuladung von 490 Kilogramm. Allerlei Geräte wie der Gyrostabilisator, Fernsehkameras, Antennen und Werkzeug waren am LRV befestigt. Das Navigationssystem des Mondautos führte Buch über seine exakte Position relativ zur Raumfähre, indem es Richtungsänderungen und die zurückgelegte Strecke aufzeichnete. Damit fanden die Astronauten auch den Weg zurück zur Mondlandefähre, wenn sie außer Sicht war. Allerdings entfernten sich die Männer nie mehr als ein paar Kilometer.

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Im luftleeren Raum kam als Antrieb des Moon Buggy natürlich nur ein Elektromotor in Frage, und das LRV hatte gleich vier davon – einen für jedes Rad und jeweils nur 0,25 PS stark. Das reichte allerdings auch völlig aus. Beide Achsen des 3,1 Meter langen LRV waren lenkbar, und zwar ebenfalls mit Elektromotoren. Zwei 36-Volt-Batterien mit einer Kapazität von 121 Amperestunden sicherten die Energieversorgung. Das Durchschnittstempo der ersten Fahrten lag bei 8 km/h. Den inoffiziellen Tempo-Rekord stellte im Jahr 1972 Eugene Cernan auf, Kommandant der letzten Mondmission Apollo 17: Knapp 18 km/h schaffte Cernan, während der Moon Buggy wild auf und ab hüpfte.

Mondauto kostete 38 Millionen Dollar

38 Millionen US-Dollar hatte die Entwicklung des Fahrzeugs verschlungen, und die Ingenieure hatten dafür auf der Erde bis zum Apollo 15-Start im Sommer 1971 nur 18 Monate Zeit. Diverse Prototypen wurden in der Wüste auf Herz und Nieren getestet. Die Astronauten mussten Trainingsfahrten durchführen und sogar bei einem Parabelflug in einem großen Jet Handgriffe üben, weil man so für kurze Zeit die Schwerelosigkeit simulieren konnte. Als der Moon Buggy für den Start im Raumschiff platzsparend verstaut wurde, wartete trotzdem das große Ungewisse auf Auto und Besatzung. Nach Apollo 15 kamen noch bei Apollo 16 und Apollo 17 Mondautos zum Einsatz, ernsthafte Zwischenfälle sind nicht überliefert.

Auf Mutter Erde stiegen die Weltraumpioniere übrigens gern in herkömmliche PS-Bolzen um: Schon seit dem ersten bemannten Raumflug der USA wurde General Motors zum inoffiziellen Sponsor der Astronauten und stellte ihnen zu Sonderkonditionen immer die neuesten Corvette-Modelle vor die Nase. Die Astronauten der Apollo 12-Mission zum Beispiel bestellten sich drei identisch ausgestattete 1969er Corvette Stingray. Die in der Sonderfarbe "Riverside Gold" lackierten Renner hatten alle den gleichen 427ci V8-Motor mit sieben Litern Hubraum und 390 PS unter der Haube. Die Astronauten ließen sich mit ihren Sportwagen stolz in einem Magazin ablichten.

Diese Schleichwerbung soll der NASA gar nicht gefallen haben. 1971 wiederholte sich das Product Placement, als die Crewmitglieder der Apollo 15-Mission ihre Corvettes zusammen mit dem Mondauto präsentierten. Immerhin kamen beim LRV tatsächlich Teile von General Motors zum Einsatz: An der Entwicklung des Fahrzeugs war neben Boeing auch GMs Elektroniksparte Delco beteiligt.

Mondautos blieben auf dem Mond zurück

Die LRVs wurden wie viele andere Geräte auf der Mondoberfläche zurückgelassen, als die Apollo-Astronauten den Heimflug antraten. Die Autos parken nun einsam für die Ewigkeit, jedenfalls solange kein neues Mondmobil über die große Käsekugel rollt. Eigentlich sollte es ja 2020 wieder soweit sein: Der neue Lunar Rover wurde schon in der Wüste von Arizona getestet und ist ein zwölfrädriges Allround-Vehikel mit einer separaten Druckkabine. Das Mondmobil besteht aus zwei Teilen. Das Fahrgestell wiegt eine Tonne, ist 4,5 Meter lang und hat 12 elektrisch angetriebene Räder, die wie bei einem Flugzeugfahrwerk paarweise an drehbaren Achsen angebracht sind. Die Allradlenkung macht den Space-Buggy genau wie seinen berühmten Vorgänger besonders wendig.

Auf dem Chassis sitzt ein drei Tonnen schweres Kabinenmodul. Damit wird das Vehikel zum SPR (Small Pressurized Rover). Die Kabine erinnert an eine alte Flugzeugkanzel – und auch ein bisschen an die Front des ersten VW Bulli. Sie bietet zwei Astronauten Platz und soll im Notfall auch vier Personen beherbergen können. Dieser Notfall dürfte jedoch niemals eintreten, denn zurzeit haben die USA nicht einmal das Geld, um einen einzigen Astronauten zum Mond zu schießen. Viele ambitionierte Pläne und Weltraumabenteuer liegen auf Eis. Das nächste Gefährt auf dem Erdtrabanten könnte daher nicht mehr "Stars and Stripes" auf dem Kotflügel tragen, sondern die rote Fahne: Die Chinesen planen Expeditionen zum und sogar eine Raumstation auf dem Mond.