Selbst das Topmanagement bei Audi Sport war von der Entscheidung offenbar überrascht: Viele Insider hatten damit gerechnet, dass bei der nächsten großen Reglementzäsur im Jahr 2018 nur noch eine VW-Marke die LMP1-Fahne hochhalten würde. Da Porsche bereits das Go für ein Engagement bis 2019 hat - was de facto eine Zusage bis einschließlich 2020 bedeutet, weil 2021 abermals neue LMP1- Regeln in Kraft treten, die wiederum ein neues Auto erfordern -, ging man VW-intern auch aufgrund der großen Drangsal des Abgas-Skandals davon aus, dass sich Audi aus der Sportwagen-Szene und Le Mans würde verabschieden müsse.
Offenbar hat sich auch VW-Patriarch Ferdinand Piëch für einen Verbleib von Audi im Le-Mans-Sport starkgemacht, unter der Voraussetzung, dass die Ingolstädter auch in Zukunft mit einem anderen Konzept als Porsche antreten - sprich: weiter auf Dieseltechnik setzen.
Audi will bessere Ausgangsposition für Dieseltechnologie
Für alle Sportwagenfans sind das ebenso gute Nachrichten wie für den Le-Mans-Veranstalter ACO und WM-Promoter Gérard Neveu. Im Moment gibt es noch keine offizielle Bestätigung für den LMP1-Verbleib von Audi - doch dafür gibt es gute Gründe: Audi will die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, weil man sich hinter verschlossenen Türen darum bemüht, eine bessere Ausgangsposition für die Dieseltechnologie ab 2018 zu verhandeln.
Würde Audi den Verbleib jetzt kommunizieren, hätte man kein Druckmittel mehr bei FIA und ACO. Eine vorzeitige Bestätigung der Fortführung des LMP1-Projekts würde die Verhandlungsposition schwächen. So läuft zurzeit die Krisendiplomatie auf vollen Touren: Audi-Sport-Motorenchef Ulrich Baretzky flog extra für ein Meeting der Technical Working Group zum WM-Saisonvortest nach Südfrankreich - nur um gleich wieder zu verschwinden. Audi spielt ein zweiter Aspekt in die Hände: Der Vertrag für die Sportwagen-WM zwischen FIA und ACO fordert, dass in der LMP1-Klasse mindestens drei Hersteller am Start stehen müssen. Würde Audi Ende 2017 aussteigen, könnte das WM-Boot ins Schwanken geraten, denn neue Hersteller sind zwar in Sicht - aber vermutlich erst ab 2020 oder 2021.
Audi formulierte offenbar einen klaren Forderungskatalog für 2018, der den Gegnern Porsche und Toyota ziemlich schwer im Magen liegen dürfte: Audi hat keinen Gewichtsspielraum für einen Aufstieg in die 8-MJ-Hybridklasse. Der ist aber 2018 notwendig, um gegen Porsche und Toyota wettbewerbsfähig zu sein, die dann auf 10 MJ umsatteln werden. "Im Moment kann man kein sinnvolles Hybridsystem mit zwei Rekuperationssystemen und Dieselmotor machen, ohne übergewichtig zu sein", hielt ein Audi-Ingenieur fest. Audi hat schon aktuell Mühe, das Gewichtsziel von 875 Kilo zu erreichen - mit einem Rekuperationssystem.
Dazu fühlt sich Audi prinzipiell benachteiligt: Zwar wird der Diesel-Gewichtsnachteil über den K-Technology-Faktor ausgeglichen, womit Audi mit 6-MJ-Hybrid theoretisch gleichgestellt ist mit den Gegnern, die 8-MJ-Hybrid und Benziner verwenden. In der Praxis haben die Benziner aber Vorteile: erstens, weil die Power-Differenz der Hybridsysteme nur partiell, aber nicht vollständig ausgeglichen wird. Als Ausgleich wird Audi mehr Kraftstoff für den Verbrenner zugestanden - doch das reicht nicht; zweitens, weil nur die Benziner in Le Mans 14 Runden fahren dürfen, Audi nur 13; und drittens, weil die Einstufung für den spezifischen Verbrauch der Dieselmotoren - gemessen in g/kWh - bei einigen Sechs-Stunden-Rennen dazu führt, dass Audi auf vielen Strecken einen Boxenstopp mehr benötigt als die Benziner-Fraktion.
Das Reglement für 2018 muss alsbald verabschiedet werden. Die Hersteller fordern, dass spätestens Anfang Juni 2016 alle Details auf dem Tisch liegen sollen. Die Audi-Gegner Porsche und Toyota stellen sich zähe Verhandlungen ein.