Analyse 24h Le Mans 2015: So gewann Porsche den Klassiker

Analyse 24h Le Mans 2015
So gewann Porsche den Klassiker

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Warum siegte Porsche?

Einfach gesagt: Der Porsche 919 Hybrid von Nico Hülkenberg, Earl Bamber und Nick Tandy fuhr ein tadelloses Nullfehlerrennen und war trotzdem schnell. "Der Sieg ist verdient, sie haben alles richtig gemacht, hatten keine technischen Probleme und waren konstant schnell", lobte Joest-Technikdirektor Ralf Jüttner, der den Einsatz von Porsche-Gegner Audi steuerte.

Während bei den anderen beiden Porsche kleinere Probleme in Summe für entscheidende Zeitverluste sorgten, schnurrte das Auto mit der Startnummer 19 durch. Natürlich half die Tatsache, dass ab Mitternacht die Außentemperaturen deutlich fielen, sich damit die Reifennutzung bei Porsche ebenso verbesserte wie der Speed. Als Nick Tandy kurz nach Mitternacht ins Fahrzeug stieg, fuhr er über weite Phasen seiner Stints im Schnitt 2 bis 3 Sekunden pro schneller als Andre Lotterer im Audi R18 e-tron quattro.

"Mit dem Grip wurde auch die Balance besser, es passte einfach alles", so Hülkenberg. Da die Temperaturen auch am Sonntag nicht mehr anzogen, konnte Porsche seinen Speed halten und Audi kontrollieren. Als erst der Audi mit der Startnummer 7 wegen einer defekten Motorabdeckung zurückfiel und später auch der Audi mit der Startnummer 9 wegen Hybridproblemen Zeit verlor, lagen Hülkenberg, Bamber und Tandy bequem in Führung.

Erstaunlich: Hülkenberg und Bamber gewannen das Rennen als Le-Mans-Novizen, das "zusammengewürfelte" Team des dritten Autos funktionierte trotz nur eines Testrennens in Spa als Mannschaft hervorragend, "Die drei haben einen sensationellen Job gemacht", lobte auch Porsche-Teamchef Andreas Seidl. "Sie hatten einfach den Flow, den man braucht, um so ein Rennen ohne Probleme zu überstehen."

Warum sank die Audi-Performance nach Mitternacht?

Bis Mitternacht kämpften Audi und Porsche für neun Rennstunden auf Augenhöhe um die Führung. Danach kam ein Bruch: Porsche wurde schneller, Audi langsamer. Die Ursachenforschung ist schwierig. Die niedrigen Temperaturen kamen Porsche entgegen. Vierfachstints waren mit guter Rundenzeitenentwicklung möglich, die Balance verbesserte sich, dito die Rundenzeiten. Dazu sank die thermische Belastung fürs Hybridsystem.

Bei Audi ist die Sache kniffliger. Die Piloten klagten nicht über fehlende Balance. Zwar sank womöglich der Grip, aber offenbar fehlte unter kühlen Bedingungen auch plötzlich etwas an Leistung, denn die meiste Zeit verlor Audi in den letzten 15 Stunden im zweiten Sektor, wo Power besonders wichtig ist. Schließlich hatten alle drei Fahrzeuge technische Probleme oder Unfälle zu beklagen, die letztendlich dazu führten, dass man den Kontakt zum siegreichen Porsche verloren hat. "Wenn die Temperaturen etwas stabiler gewesen wären, dann hätte das ein unglaubliches Rennen zwischen Audi und Porsche geben können", glaubt Joest-Technikdirektor Ralf Jüttner.

So wie in den ersten neun Rennstunden, als Porsche und Audi auf Augenhöhe miteinander kämpften. "Allerdings haben wir den Kontakt zur Spitze ja nie verloren, am Sonntagmorgen waren noch zwei Audis und zwei Porsche in der gleichen Runde", so Jüttner. Will sagen: Audi hätte das Rennen bis zum Ende offenhalten können – wenn man nicht Verzug wegen technischer Probleme gehabt hätte.

Wieso war Toyota so langsam?

Bei Toyota war man mit den Plätzen 6 und 8 natürlich überhaupt nicht zufrieden. Noch weniger zufrieden war man mit dem Rückstand von 8 und 9 Runden. Dabei hatte der bestplatzierte Toyota mit der Startnummer 2 – ähnlich wie der Siegerwagen von Porsche – nicht das geringste technische Problem zu beklagen. Technikchef Pascal Vasselon betont bei jeder Nachfrage, dass man die technische Weiterentwicklung bei der Konkurrenz unterschätzt habe und vor allem bei der Systemleistung – Verbrennungsmotor und Hybridleistung addiert – ins Hintertreffen geraten sei.

Das ist sicher richtig, Fakt ist aber auch, dass Toyota noch in Silverstone beim WM-Auftakt wettbewerbsfähig war. In Spa war man immer noch deutlich schneller als 2014, fiel aber relativ zur Konkurrenz erstmals stärker zurück. In Le Mans ging die Entwicklung weiter: Toyota war im Rennen im Mittel höchstens eine Sekunde schneller als 2014, während die Gegner im Schnitt um mehrere Sekunden pro Runde zulegten. Leistung allein kann nicht die Ursache sein, auch bei der Reifennutzung sowie bei den Kurvenspeeds kann man erkennen, dass sich Toyota teilweise sogar verschlechtert hat. Laut Insidern ist man bei Toyota in Japan mit dieser Entwicklung überhaupt nicht zufrieden – und gelobt für 2016 mit einem neuen LMP1-Auto Besserung.

Wie lief das Nissan-LMP1-Debüt?

Bescheiden. Nissan brachte ein Auto ins Ziel, wurde aber wegen der zurückgelegten Distanz nicht gewertet, der Rückstand auf den Sieger betrug 153 Runden. In den ersten Rennstunden konnten sich phasenweise noch zwei Nissan auf der ersten Seite des Zeitnahmemonitors halten, doch da lagen sie (als LMP1-Autos) in mitten der LMP2-Autos. Später war noch ein Auto übrig, dann aber am Ende des LMP2-Feldes. Und nach wenigen Stunden versackten alle drei Nissan ans Ende des Feldes.

Mit einem Auto schraubte man sich ins Ziel, denn die Ankunft war eine der Performance-Targets, die das Management den Mannen um Projektleiter Darren Kox mit nach Le Mans gegeben hatte. Die Probleme waren vielfältig und wahrlich unzählbar: Aufhängungsschäden, Bremsdefekte, Elektronikprobleme, Kupplungsprobleme – um nur die wichtigsten zu nennen. Wie schon im Qualifying blamierte sich das Team bis auf die Knochen, die Vorstellung war nicht LMP1-würdig. Die große Frage lautet nun: Wie geht es mit dem Programm weiter? Viele Insider vermuten: der Renault-Nissan-Konzernverbund wird sich die schlechte Performance vermutlich nicht mehr lange ansehen.