Kia e-Niro (2019) erster Fahrbericht: So fährt der neue Elektro-SUV

Kia e-Niro (2019) Fahrbericht
So weit kommt der Elektro-SUV im Alltag

Beim Thema Elektro-Auto gab es bislang eine Zweiklassengesellschaft: Freudlose Spargeräte mit mäßiger Reichweite, Typ Kassengestell. Und sündteure Luxus-Granaten, die zwar richtig Gaudi machen, aber in erster Linie solvente Käufer ansprechen, welche bei einem Auto im Grunde als allerletztes über Verbrauchskosten nachdenken müssen.

Das wollte einst Tesla mit dem Model 3 ändern, doch zum angekündigten Preis von 35.000 Dollar kann man den Mittelklasse-Tesla bis heute nicht kaufen. Doch nun kommt Kia. Gemeinsam mit Konzernschwester Hyundai wurde die Plattform des Niro entwickelt und konsequent elektrifiziert. 204 PS E-Motor, ein Akku mit 64 kWh Kapazität, 455 km Reichweite und ein Basispreis von 38.090 Euro. Und genau den haben wir auf einer ersten Testfahrt ausprobiert, auf anspruchsvollem Geläuf, im bergigen Hinterland der Côte d'Azur.

Fahren, ohne Rücksicht auf Verluste

Die Reichweite ist bei E-Autos bis heute die beherrschende Thematik. Niemand will auf dem Weg zur Arbeit oder ins Kino mit leerer Batterie am Straßenrand stranden. Genau das darf man jedenfalls mit dem e-Niro zu den Akten legen. Am Flughafen steige ich in den Testwagen, 422 km zeigt die Reichweitenanzeige, ab geht es. Und im Gegensatz zu früheren Ausfahrten mit Elektro-Autos nehme ich heute genau Null Rücksicht, fahre den Wagen, wie ich ein ganz konventionell mit einem Verbrenner angetriebenes Auto fahren würde. Zurückhaltend im dichten Verkehr, lustig auf der freien Bahn, engagiert auf der folgenden kurvigen Bergstrecke. Hier kommt das erste Aha-Erlebnis: Die beruhigende Reichweitenanzeige im linken Instrument macht das bislang übliche E-Auto-Geschleiche obsolet und findet folgerichtig kaum Beachtung. Man kann auch mal nur aus Spaß an der Freude etwas fester durch die Kurve, muss nicht bei jeder Bergabstrecke im Kopf schon die Rekuperation berechnen. Und auch ein flottes Überholmanöver, üblicherweise mentales Teufelszeug für E-Auto-Sparfüchse, ist jederzeit drin.

Kia e-Niro Fahrbericht
Kia

Und wie! Die ansatzlose Zwischenbeschleunigung, ohne auf einen Turbolader warten zu müssen, ist das eigentliche Erlebnis. Auf der Stelle stehen beim Überholen eines bergauf keuchenden Transporter fast 400 Newtonmeter Drehmoment bereit und katapultieren den äußerlich zur Unscheinbarkeit tendierenden Crossover wie in einem Comic-Strip an dem fahrenden Hindernis vorbei. Wer als Beifahrer gerade gedankenverloren auf seinem Smartphone herumdaddelt, bemerkt allenfalls den kurzfristig sehr energischen Druck im Rücken, aber nichts von der Aktion. Die ist viel zu schnell vorbei. 7,8 Sekunden von Null auf 100 km/h verspricht Kia für die 204 PS-Version des e-Niro, klingt glaubhaft. Der Spaß ist jedoch nicht nur im nach vorne zappen erschöpft. Denn die tief verbaute und nicht eben leichte (453 kg) Batterie im Unterboden, die dem 4,3 Meter kurzen e-Niro ein herrschaftliches Gewicht von 1,8 Tonnen beschert, regelt auch die Straßenlage. Seitenneigung findet kaum statt, die Haftung in der Kurve ist beachtlich und bei jedem Druck auf das Fahrpedal geht es sofort und ansatzlos voran.

Kia e-Niro mit ausreichend Platz

Kia e-Niro Fahrbericht
Kia

Dass das Fahrwerk etwas kommoder federn und die Lenkung ein gutes Stück gefühlvoller agieren könnte, darf dennoch angemerkt werden. Kurze Unebenheiten werden etwas lustlos überpoltert. An die beachtlichen Lenkeinflüsse des Antriebs beim harschen Herausbeschleunigen aus Kurven muss man sich ebenfalls gewöhnen. Wichtiger jedoch im Alltag: Der Kia e-Niro ist erstaunlich geräumig. Vorne schränkt die Mittelkonsole die seitliche Beinfreiheit etwas ein, das geht in dieser Fahrzeugklasse nicht sehr viel besser. Hinten ist dagegen richtig Platz, auch zwei ausgewachsene Mitteleuropäer kommen sich nicht zu nahe und haben außerdem ordentlich Beinfreiheit.

Obwohl sich der Kia e-Niro letztlich also fährt wie ein sehr gut motorisierter Kompakt-SUV, gibt es natürlich dennoch konzeptbedingte Eigenheiten. Mit einem großen Drehregler wird die Fahrtrichtung bestimmt, „Gangwahl“ geht ja am Thema vorbei. Ein weiterer Schalter steuert die fünf verschiedenen Fahrmodi. Beim besonders sparsamen Eco+-Modus bleibt die Klimatisierung ausgeschaltet und das Höchsttempo auf 90 km/h begrenzt, im „Sport“-Modus gibt es volle Leistung, eine etwas direktere Lenkabstimmung und für mehr Drama eine auf rot umschaltende Armaturenbeleuchtung. Besondere Bedeutung haben die beiden Lenkradpaddel: Mit ihnen lässt sich die Rekuperation einstellen. Je nach gewählter Stufe verzögert die Elektromaschine mehr oder weniger stark, im Idealfall lassen sich laut Kia bis zu 80 Prozent der üblichen Bremsleistung nur über die Rekuperation erzeugen. Dass für die volle Verzögerung jedoch dauerhaft am linken Paddel gezogen werden muss, ist etwas umständlich.

Die wassergekühlte Traktionsbatterie des Kia e-Niro lässt sich im Winter vorkonditionieren: Hängt das Auto am Ladekabel, kann auch die Batterie bei Minusgraden beheizt und damit auf optimale Betriebstemperatur gebracht werden.

Kia e-Niro Fahrbericht
Kia

Für die Klimatisierung setzt Kia auf ein Wärmepumpensystem. Das hat während der Fahrt einen sofort am Reichweitenrechner ablesbaren Einfluss, mit aktivierter Heizung auf hoher Stufe sinkt diese deutlich. Eine weitere Besonderheit des Kia e-Niro ist das „intelligente“ Rekuperieren. Bei gesetztem Abstands-Tempomat wird vom System bewusst so gesteuert, dass möglichst hohe Rekuperation gefahren werden kann. Gleichzeitig wird die Topographie aus dem Navigationssystem mit einbezogen und so möglichst wirtschaftlich auf Steigungen und Gefälle reagiert.

Technische Daten
Kia e-Niro 64 kWh Edition 7
Grundpreis39.090 €
Außenmaße4375 x 1805 x 1560 mm
Kofferraumvolumen451 bis 1405 l
Höchstgeschwindigkeit167 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km